Lange Zeit hatte man sich in Berlin damit
abgefunden. Gut, Hartz-IV-Hauptstadt war kein so schönes Attribut,
aber im Großen und Ganzen hatten sich viele in der Stadt damit
arrangiert. Berlin musste nach der Wende nun mal den Zusammenbruch
der Industrie verkraften, einen harten Strukturwandel im
Zeitraffertempo. Was will man da schon machen, außer das Heer der
Beschäftigungslosen zu verwalten? Mit dem Verwalten dieses Zustandes
konnten viele gut leben, im wortwörtlichen Sinne. Vor allem jene
Berliner Großindustrie der Träger von Beschäftigungs- und
Qualifizierungsmaßnahmen, finanziert aus den unzähligen Geldtöpfen
von Arbeitsagenturen, Jobcentern, Europäischen Sozialfonds und
Berliner Landeshaushalt. Die Wirtschaft der Hauptstadt galt als
schwachbrüstig und unfähig, Stellen auf dem sogenannten ersten
Arbeitsmarkt in ausreichender Zahl anzubieten. So ist das nun mal in
Berlin, da kann man nichts machen. Mit dieser Haltung verfestigte
sich eine Mentalität, und es wurden Strukturen zementiert. Man hatte
sich eingerichtet mit dem Verwalten des Arbeitsmarktelends. Seit
einigen Jahren jedoch passiert etwas in der Stadt, was so gar nicht
zu jener Mentalität passt. Junge Menschen tragen neuen
Unternehmergeist in die Stadt und gründen Firmen. Eine Umfrage des
Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller belegt die Attraktivität
der Hauptstadt als Wirtschaftsstandort. Touristen strömen und
verpassen dem Gast- und Dienstleistungsgewerbe eine kräftige
Infusion. Die Deutsche Bank siedelt ihr Zentrum für Risikomanagement
in Berlin und nicht in London oder Singapur an. Berlin und
wirtschaftliche Dynamik – das ist nicht länger ein schlechter Witz.
Dieser neuen Realität versucht sich nun auch der Senat zu stellen.
Das neue Jobprogramm „Berlin Arbeit“ aus dem Haus von Senatorin Dilek
Kolat ist durchaus Beleg dafür. Richtig ist: In dem Programm werden
vor allem Absichtserklärungen formuliert. Die Zahl der Arbeitslosen
soll unter 200.000 sinken, Berufsorientierung früh und umfangreich in
den Schulen angeboten werden. Qualifizierungen von Menschen ohne Job
sollen sich an den Bedürfnissen der Unternehmen ausrichten,
Bildungsziele konkret formuliert werden. Überambitioniert ist das
alles nicht. An einigen Stellen wird schlichtweg Naheliegendes
aufgegriffen. Schon lange ist bekannt, dass die Hälfte der 212.000
Berliner ohne Job keine abgeschlossene Berufsausbildung hat. Was
liegt da näher, als das System der Qualifizierung einer Prüfung zu
unterziehen? Man kann in dem Jobprogramm „Berlin Arbeit“ einen Mangel
an Konkretem sehen, und natürlich ist es nur selbstverständlich, die
Landesregierung an den Absichtserklärungen zu messen. Aber man darf
die Symbolik nicht von vornherein schmähen. Lange genug hat es
schließlich gedauert, bis der Senat sich zu einem Mentalitätswandel
aufraffen konnte. Dieser Wille ist nun immerhin schriftlich fixiert.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de
Weitere Informationen unter:
http://