BERLINER MORGENPOST: So vergrault man Fahrgäste Leitartikel von Christine Richter über die Preiserhöhungen bei den Berliner Verkehrsbetrieben und S-Bahn

Vor gut einem halben Jahr erst sind die Fahrpreise
bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) und der S-Bahn in Berlin
deutlich erhöht worden. 2,40 Euro kostet ein Fahrschein im Berliner
Tarifgebiet AB seit August vergangenen Jahres. Viel Geld für viele
Menschen. Den Berliner Verkehrsbetrieben und der S-Bahn reichen die
Einnahmen aus Einzelfahrscheinen, Monats- und Jahreskarten dennoch
nicht. Sie wollen schon zum Juli diesen Jahres die Preise nochmals
kräftig erhöhen: Der Einzelfahrschein soll dann 2,60 Euro kosten –
das entspricht einer Steigerung von mehr als acht Prozent. Der
Kurzstreckentarif soll von 1,40 Euro auf 1,50 Euro steigen, all die
anderen Monats- oder Jahreskarten natürlich auch. Es wäre die zweite
Preiserhöhung innerhalb von nur elf Monaten. Ein dreister Plan.

Der Berliner Senat will die Einwohner der Stadt dazu bringen, auf
die öffentlichen Verkehrsmittel umzusteigen, den privaten Pkw stehen
zu lassen. Das ist ein hehres Ziel, will man die Umwelt schonen, die
Straßen von Staus und die Menschen von Lärm entlasten. Dafür aber
muss der öffentliche Nahverkehr attraktiv sein. Und das ist der ÖPNV
in Belrin wahrlich nicht – und das wird er immer weniger. Die
U-Bahnen der BVG kommen zwar pünktlich und fahren auch im Winter:
Doch bei der Sicherheit mangelt es und in vielen U-Bahn-Wagen mag man
sich nicht hinsetzen, so schmuddelig sind sie. Wer auf den Bus
angewiesen ist, kann noch ganz andere Geschichten erzählen. Über
Busse, auf die man 30 Minuten lang warten muss, bevor dann drei auf
einmal an die Haltestelle herfahren. Über Verbindungen am Stadtrand,
die immer mehr ausgedünnt wurden. Von der S-Bahn gar nicht zu reden.
Erst am Freitag kam es wieder zu vielen Verspätungen, nach einem
Kabelbrand in der Nähe des Ostkreuz dauerte es Stunden, bis der
Schaden behoben war. Die S-Bahn-Wagen sind überaltert, das
Streckennetz ebenfalls. Warum also sollten die Berliner und
Brandenburger und auch die Touristen für diese Angebote mehr Geld
bezahlen?

Der Senat mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD)
an der Spitze äußerten am Freitag Verständnis für die Preiserhöhungen
– unter Verweis auf die steigenden Energie- und Personalkosten bei
den Verkehrsunternehmen. Natürlich müssen auch BVG und S-Bahn, die ja
eine Tochter der Deutschen Bahn ist, wirtschaftlich arbeiten. Aber
sie gehen den einfachsten Weg, indem sie sich das Geld von den
Fahrgästen zurückholen. Von jenen, die ihnen auch in schwierigen
Zeiten noch treu geblieben sind. Mehr noch: Wenn die Preissprünge so
groß ausfallen, dann werden die langjährigen Kunden wegbleiben.
Wieder auf das Auto umsteigen, Fahrgemeinschaften bilden oder im
Sommer mit dem Rad fahren. Für die Verkehrsunternehmen könnte die
Preiserhöhung dann sogar das Gegenteil deuten: dass weniger Geld als
gedacht in die Kassen kommt, weil weniger Menschen die Busse,
Straßenbahnen, U- und S-Bahnen benutzen. Berlin braucht einen
attraktiven Nahverkehr, der Senat und die Unternehmen jedoch
vergraulen die Fahrgäste.

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