Der Aufschrei war ziemlich laut. Da spielt eine
deutsche Tennisspielerin im Finale von Wimbledon, aber im
öffentlich-rechtlichen Gebührenfernsehen gibt es vom wichtigsten
Turnier des Jahres nichts live zu sehen. Auf einmal schienen alle
irgendwie vergessen zu haben, dass Tennis zuvor doch letztlich nur
deshalb ins Bezahlfernsehen abgewandert war, weil es die große Masse
gar nicht mehr sehen wollte. Nichts war mehr zu spüren gewesen von
der Begeisterung für den weißen Sport, die einst in den Achtzigern
Steffi Graf und Boris Becker mit ihren Erfolgen geweckt hatten. Vor
rund 25 Jahren hatten die Tennisklubs landesweit Aufnahmestopps für
neue Mitglieder verhängen müssen, doch nach dem Abtritt der Ikonen
ging die Anzahl sukzessive zurück, nicht wenige spielten plötzlich
lieber Golf.
Berlin verlor irgendwann sogar sein German-Open-Turnier, das nach
Steffi Graf benannte Stadion im Grunewald rostet seither nur vor sich
hin und die Unterhaltungskosten sind dem Klub ein schwerer Klotz am
Bein.
Nun hat Sabine Lisicki das große Finale von London zwar verloren,
aber ihr charmanter Auftritt hinterlässt dennoch nur Positives. Für
das deutsche Tennis, das sich nun wieder über mehr Zulauf beim
Nachwuchs und Reputation freuen kann, zumal der Berlinerin für die
kommenden Jahre weitere solcher Auftritte zugetraut werden. Mit so
einer Frontfrau machen auch erste zaghafte Überlegungen Sinn, Berlins
Turnier zu reanimieren.
Eine wunderbare Botschafterin ist Sabine Lisicki aber auch nach
außen hin. Mit ihrer Offenheit und ihrem Charme eroberte sie die
Herzen der Zuschauer aus aller Welt. Insbesondere aber die der
Briten, nach deren Beliebtheit wir Deutschen traditionell ja
besonders zu gieren scheinen. Nun hatte kürzlich eine Umfrage der BBC
uns Deutsche bereits zum Sympathie-Champion der Inselbewohner
erklärt, aber Lisicki scheint diesen für viele ja doch überraschenden
Werten nun sogar ein Gesicht dazu zu geben. So wie Boris Becker bis
heute für das deutsch-britische Verhältnis mehr bewirkt als viele
Politiker, funktioniert es auch im Fall Lisicki. Sie ist sich ihrer
Stärken und auch Schwächen sehr bewusst, geht selbstbewusst und
fröhlich lächelnd durchs Leben, auch wenn sie schon so manch herben
Rückschlag im Sportlerleben zu meistern hatte. Und dass sie sich am
Ende nicht kaltherzig zur Regentin aufzuschwingen vermag, wird sie
viele nur noch mehr ins Herz schließen lassen.
All das ist eine ganze Menge wert, und wird noch lange nach den
Turniertagen von Wimbledon nachwirken. Das kann sich wirklich sehen
lassen, auch wenn davon bei den Öffentlich-Rechtlichen nichts zu
sehen war. Vielleicht ja dann beim nächsten Mal, die
Rechte-Verhandlungen für die kommenden drei Jahre beginnen gerade.
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