BERLINER MORGENPOST:Überflüssige Privilegien Leitartikel von Andreas Abel über kostenlose und ermäßigte Fahrausweise bei der BVG

Es klingt wie eine gemütliche Geschichte aus längst
vergangenen Zeiten. Mitarbeiter der BVG dürfen kostenlos mit Bahn und
Bus fahren, auch in ihrer Freizeit und selbst noch im Ruhestand.
Ihren Ehegatten wird die Umweltkarte zum halben Preis gewährt, das
gilt sogar für die Ehepartner von Pensionären und für deren Witwen
und Witwer. Lediglich Mitarbeiter, die nach 2010 zur BVG kamen,
müssen Einschränkungen hinnehmen. Das sind Privilegien, die an die
Jahrzehnte vor dem Mauerfall erinnern, an die gute alte Berlin-Zulage
und einen gehätschelten öffentlichen Dienst, der mit gesicherten Jobs
Menschen davon abhalten sollte, der Frontstadt den Rücken zu kehren.

Die BVG ist ein landeseigenes Unternehmen. Sie ist mit mehr als
800 Millionen Euro verschuldet. Und sie bekommt Zuschüsse vom Senat
in dreistelliger Millionenhöhe pro Jahr. Das ist Steuergeld. Da
müssen die Bürger erwarten können, dass der Betrieb größte
Haushaltsdisziplin wahrt und so rentabel wie möglich arbeitet. Doch
die BVG hat wegen der kostenlosen beziehungsweise ermäßigten
Fahrausweise allein im Zeitraum 2003 bis 2010 auf knapp 30 Millionen
Euro Einnahmen verzichtet. Im Wesentlichen führt sie dafür zwei
Argumente ins Feld. Sie seien Bestandteile des Gehalts, bei einer
Abschaffung würde die Gewerkschaft Ver.di Sturm laufen und eine
Kompensation fordern. Außerdem würde das Betriebsklima leiden.

Die Argumente ziehen nicht. Ein ernsthaftes Bemühen, diese
Privilegienhuberei schrittweise abzuschaffen oder zumindest spürbar
einzudämmen, ist nicht erkennbar. Eine konstruktive
Auseinandersetzung mit Ver.di, bei der die BVG viele Verbündete
hätte, ebenfalls nicht. Und ein gutes Betriebsklima ist auch anders
zu schaffen. Der Landesrechnungshof beanstandet die Vergünstigungen
seit vielen Jahren. Er erwartet, so wörtlich, „dass die BVG diese
abschaffe“. Eine klare Ansage. Die BVG hatte zwar mehrfach zugesagt,
das Problem anzugehen, wie aus dem Jahresbericht 2011 des
Rechnungshofes hervorgeht. Doch passiert ist so gut wie nichts. Die
„Gegebenheiten“ müssten erst „grundlegend analysiert werden“, hieß
es.

Senat und Abgeordnetenhaus teilen die Sicht des Rechnungshofes und
fordern zumindest eine finanzielle Beteiligung der Mitarbeiter an den
Fahrscheinen. Aufsichtsratsvorsitzender der BVG ist Finanzsenator
Ulrich Nußbaum. Erstaunlich, dass der als nicht zimperlich bekannte
Mann dieses teure Relikt seit Jahren duldet. Vor allem er muss jetzt
dafür sorgen, die alten Zöpfe abzuschneiden.

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