BERLINER MORGENPOST: Ungerecht und unsozial Leitartikel von Thomas Fülling zum geforderten automatischen Anstieg der Ticketpreise bei der BVG.

Alles wird teurer – warum nicht auch das Fahren mit
Bus und Bahn? Jedes Jahr sollen die Ticketpreise künftig steigen,
gekoppelt an den allgemeinen Preissteigerungsindex. Transparent und
gerecht sei das, sagten Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für
SPD) und die BVG-Chefin Sigrid Nikutta am Montag. Das klingt zunächst
plausibel. Werden die Ticketpreise doch bislang in einem
Hinterzimmer-Verfahren im Verkehrsverbund zwischen Vertretern der
Länder Berlin und Brandenburg sowie der märkischen Landkreise
regelrecht ausgehandelt. Und wenn es Wahlen in dem einen der
Bundesländer gibt, fällt eine neue Preisrunde auch schon mal aus. Im
Jahr darauf werden je nach politischem Gusto mal die BVG-Stammkunden,
mal die Gelegenheitskunden umso stärker zur Kasse gebeten.

Doch eine Preiserhöhungsautomatik, wie sie Nußbaum und Nikutta
jetzt fordern, ist keine Lösung. Sie ist in erster Linie bequem.
Bequem für die Verkehrsunternehmen, die mit jährlich steigenden
Einnahmen rechnen können. Dadurch sinkt der Druck, sich Gedanken um
einen effizienten Einsatz der Fahrzeuge oder attraktive Angebote für
die Fahrgäste zu machen. Die Einnahmen steigen ja auch so. Bequem
aber auch für die Politiker, die keine Position mehr in der
unpopulären Debatte über Preiserhöhungen beziehen müssen. Sie können
einfach auf das Statistische Bundesamt verweisen, das die
Preissteigerungsrate ausrechnet.

Doch der öffentliche Nahverkehr ist Teil der Daseinsvorsorge. Die
Politik steht in der Pflicht, dass Bus- und Bahnfahren nicht
irgendwann zum Luxus für einige wenige wird. Auch in ökologischer
Hinsicht sind attraktive und bezahlbare öffentliche Verkehrsmittel
unverzichtbar. Natürlich erfordert das erhebliche Investitionen. Ein
Großteil der U-Bahn-Tunnel in Berlin ist mehr als 100 Jahre alt, das
Durchschnittsalter der U-Bahnen liegt bei 25 Jahren.
Tunnelsanierungen und neue Züge kosten viel Geld. Dazu kommt der
regelmäßige Anstieg bei den Personalkosten. Dank eines
deutschlandweit einmaligen Tarifabschlusses werden die Löhne und
Gehälter der 13.000 BVG-Mitarbeiter jedes Jahr um mindestens 2,5
Prozent steigen.

Die mit 810 Millionen Euro hoch verschuldete BVG ist nach wie vor
ein unterfinanziertes Unternehmen. Allein die Fahrgäste für das
nötige zusätzliche Geld aufkommen zu lassen, ist deshalb ungerecht
und unsozial.

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