Nun ist es auch vonseiten der Statistik amtlich:
Die deutsche Wirtschaft hat im vergangenen Jahr das wohl
eindrucksvollste Comeback ihrer Geschichte hingelegt. Das
Wachstumsplus von 3,6 Prozent im vergangenen Jahr ist nicht nur in
seiner absoluten Größe beachtlich, sondern vor allem auch, wenn man
es mit der Entwicklung praktisch aller anderen großen
Industrienationen vergleicht. Rückblickend bleibt nur festzustellen:
Deutschland hat vieles richtig gemacht, um aus der tiefen Rezession
nach der Bankenkrise rasch herauszukommen – die Unternehmen haben an
ihren Mitarbeitern festgehalten, die Verbraucher haben sich nicht ins
Bockshorn jagen lassen, und die Regierung hat mit ihren Hilfen die
Rahmenbedingungen geschaffen. Die Schwarzmaler mit ihren
Horrorszenarien hatten unrecht. Vieles spricht dafür, dass der
Aufschwung auch 2011 anhalten wird – wenn auch in abgeschwächter
Form. Die Kauflaune der Konsumenten dürfte von steigenden Löhnen
weiter beflügelt werden, und auch aufseiten der Unternehmen gibt es
bei den Investitionen immer noch Nachholbedarf. Hinzu kommt eine
erstaunliche robuste Auslandsnachfrage gerade aus den
Schwellenländern. Dabei profitiert die heimische Wirtschaft nicht nur
vom weitgehend gelungenen Krisenmanagement, sondern vor allem auch
von den teilweise sehr schmerzhaften Strukturreformen nach der
Jahrtausendwende. Deutsche Produkte haben heute eben nicht nur den
Ruf, qualitativ hochwertig zu sein – sie sind auch preislich durch
die langjährige Lohnzurückhaltung oftmals wieder sehr
wettbewerbsfähig. Trotz dieser positiven Bilanz muss aber die Frage
erlaubt sein, ob auch langfristig die richtigen Schlussfolgerungen
aus den Ursachen der Krise gezogen wurden, um künftige Abstürze
dieser Art unwahrscheinlicher zu machen. Die Antwort lautet:
allenfalls bedingt. Nach wie vor hängt Wohl und Wehe der deutschen
Wirtschaft am Export, nach wie vor gibt es riesige Ungleichgewichte
in den internationalen Handelsströmen und nach wie vor schlummern im
Finanzsektor immense Risiken. Und damit nicht genug: Auch in
Deutschland ist der Schuldenstand des Staates durch die
Krisenbekämpfung in die Höhe geschnellt. Und zugleich wurden die
Finanzmärkte von den Notenbanken mit Geld geflutet, um die Konjunktur
zu beleben. Zur Wahrheit gehört also auch, dass der Aufschwung mit
neuen großen Risiken erkauft wurde. Natürlich lassen sich nicht all
diese Probleme im nationalen Alleingang lösen. Aber es scheint, als
sonne sich die Politik in Berlin einfach im Glanz der guten Zahlen –
als sei ihr endgültig der Elan zu Reformen abhanden gekommen. Dabei
wäre es wichtig, gerade in diesem günstigen Umfeld die Weichen für
neues, stärker aus der Binnenwirtschaft getriebenes Wachstum zu
stellen. Der Stolz auf das Erreichte darf nicht träge machen.
Verharrt man jetzt in Selbstzufriedenheit, ist dies der sicherste
Weg, um ungebremst in die nächste Krise zu steuern. Wie schnell der
Glanz vergehen kann, hat schließlich nicht zuletzt das abrupte Ende
des Wirtschaftsbooms nach der Wiedervereinigung gezeigt. Und auch der
aktuelle Aufschwung ist fragiler, als es manchem in der
schwarz-gelben Bundesregierung scheinen mag.
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