Man muss der Bundesregierung für das neue Gesetz
zum Sorgerecht keine Lorbeerkränze winden. Denn erstens sind es der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und das
Bundesverfassungsgericht gewesen, die das Unzeitgemäße an der
bestehenden Rechtslage erkannt haben. Und zweitens mussten stolze
zwei Jahre ins Land ziehen, seitdem die Karlsruher Richter die
bestehende Regelung gekippt haben. Jetzt erst liegt der Entwurf vor.
Die Regierung hat also, könnte man sagen, nur ihre Arbeit gemacht.
Inhaltlich weist das Gesetz in die richtige Richtung. Erinnern wir
uns: 2010 hatte in Karlsruhe ein Vater geklagt, der sich noch während
der Schwangerschaft von der werdenden Mutter getrennt hatte. Fortan
lebte der Sohn im mütterlichen Haushalt, hatte aber regelmäßigen
Umgang mit dem Vater. Dieser erkannte seine Vaterschaft an, während
die Mutter ein gemeinsames Sorgerecht verweigerte. Das war für alle
Beteiligten erträglich, solange die getrennte Familie wenigstens am
selben Ort wohnte. Als die Mutter jedoch einen Umzug plante, musste
der Vater befürchten, das Kind nur noch sehr selten und unregelmäßig
sehen zu können. Er versuchte, sich das Sorgerecht (und das damit
verbundene Aufenthaltsbestimmungsrecht) vor Gericht zu erstreiten –
und scheiterte. Für das Sorgerecht, so die Begründung, fehle es an
der nötigen Zustimmung der Mutter. Diese sei nach geltender
Rechtslage eine unabdingbare Voraussetzung dafür. Dies will der
vorliegende Gesetzentwurf nun ändern. Künftig kann das Sorgerecht
auch gegen den Willen der Frau erlangt werden. Die Beziehung der
Eltern, ob nun verheiratet, getrennt lebend oder im Patchwork
verbunden, tritt hinter das Wohl des Kindes zurück. Und das ist gut.
Denn zum einen hat sich die Vielfalt der Lebensstile in den letzten
Jahren enorm vergrößert: Allein der Anteil nicht ehelich geborener
und aufwachsender Kinder hat sich seit 1995 mehr als verdoppelt. Und
zum anderen darf man bezweifeln, dass das mütterliche Sorgemonopol in
seiner jetzigen Gestalt noch dem Zeitgeist entspricht. Das Selbstbild
des Mannes hat sich verändert, er ist heute viel weniger der
abwesende, weil ständig arbeitende Versorger, der er jahrzehntelang
gewesen ist. Er ist Ansprech- und Diskussionspartner, Mitspieler und
Gefährte. Das ist überall in Europa so. Wer noch die rührenden Bilder
nach dem Abpfiff des EM-Finales vor Augen hat, wer sich daran
erinnert, wie selbstvergessen Fernando Torres oder David Silva mit
ihren Kindern auf dem Rasen spielten, der sollte sich nur einmal
vorzustellen versuchen, ob das schon 1990 denkbar gewesen wäre, als
die Deutschen in Italien mit heiligem Ernst Weltmeister wurden. Heute
kann man es überall beobachten – vor den Kitas am Vormittag und auf
den Spielplätzen am Nachmittag. Es hat sich viel verändert. Von
Ausnahmen abgesehen: Männer sind heute deutlich bessere Väter, als
sie es noch vor 20 Jahren waren. Wie schön, dass dies nun auch der
Gesetzgeber anerkennt.
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