BGA: Außenhandel auf Rekordjagd – aber Sorgenfalten nehmen zu

„Der deutsche Außenhandel geht in diesem und auch
im nächsten Jahr weiter auf Rekordjagd. Dies ist allerdings auch
dringend notwendig angesichts der gewaltigen Herausforderungen, vor
denen wir hierzulande stehen. Dabei dürfen wir uns nicht von den
schönen Zahlen täuschen lassen. Sie sind insbesondere auch dem
billigen Euro infolge der Geldpolitik der EZB geschuldet, deren
langfristig negative Nebenwirkungen noch nicht zum Vorschein treten.“
Dies erklärt Anton F. Börner, Präsident des Bundesverbandes
Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) heute in Berlin
anlässlich der Herbstpressekonferenz des Verbandes zur Entwicklung
des deutschen Außenhandels.

Mit besonderer Sorge sieht Börner dabei das Auseinanderdriften in
Europa. In der nach wie vor ungelösten Euroschuldenkrise sei in den
vergangenen Monaten greifbar geworden, wie stark die Fliehkräfte
sind. Die Flüchtlingswelle mit den damit verbundenen
Herausforderungen für Europa, für seine Mitgliedsstaaten, seine
Politiker und seine Gesellschaften wirke wie ein Brandbeschleuniger –
obwohl kein Land alleine die zentralen Herausforderungen wie die
Flüchtlingskrise alleine lösen könne.

Aktuelle Situation und Ausblick für den deutschen Außenhandel Für
das Gesamtjahr 2015 geht der BGA nunmehr davon aus, dass sich die
Ausfuhren um bis zu 6 Prozent auf 1.191 Milliarden Euro und die
Einfuhren um 4 Prozent auf 947 Milliarden Euro erhöhen werden. Damit
erreichen sowohl die Aus- als auch die Einfuhren neue Rekordwerte.
Die positive Entwicklung im ersten Halbjahr beruht nicht mehr auf der
Nachfrage aus den Schwellenländern und insbesondere nicht auf der
Nachfrage aus den BRIC-Staaten. Vielmehr waren wieder unsere
traditionellen Absatzmärkte in der EU und außerhalb die
Wachstumstreiber dieser Entwicklung.

Die Nachfrage in der EU stammt dabei gleichermaßen aus Spanien,
Portugal, Italien und sogar aus Frankreich, unserem weiterhin
wichtigsten Absatzmarkt. Gleichwohl liegt noch ein langer Weg mit
vielen Untiefen vor uns. Es bleiben die Zweifel hinsichtlich der
notwendigen Strukturreformen, denn die Wachstumsmotoren waren
insbesondere der günstige Euro und die niedrigen Rohstoffpreise.
Wachstumstreiber in den Drittländern waren in erster Linie unsere
klassischen Handelspartner wie die USA. Hier sind die Ausfuhren um
fast 24 Prozent gestiegen. Aber auch auf dem afrikanischen Kontinent
haben die deutschen Unternehmen mit einem Plus von 12,8 Prozent
deutlich mehr verkauft als noch im Vorjahr.

In Punkto Warenstruktur gibt es weder bei den Exporten noch bei
den Importen wesentliche Änderungen. Mit über 112 Milliarden Euro
wurden im ersten Halbjahr jedoch 11 Prozent mehr Kraftwagen und
Kraftwagenteile verkauft als im Vorjahr. Der Maschinenexport stieg um
2 Prozent auf 84 Milliarden Euro und der Export chemischer
Erzeugnisse um 1 Prozent auf 55 Milliarden. Einfuhrseitig waren
Datenverarbeitungsgeräte mit 48 Milliarden Euro das wichtigste
Importgut vor Kraftwagen mit 48 Milliarden Euro, Chemische
Erzeugnisse mit 38 Milliarden Euro und den fossilen Brennstoffen mit
32 Milliarden Euro.

Made in Germany unter Druck

Die einmalige Erfolgsgeschichte Made in Germany sei unter Druck,
darüber dürfte man sich von den guten Zahlen nicht täuschen lassen,
warnte der Außenhandels-chef. Zudem bewegten wir uns auf einem Weg,
der mit konjunkturellen Stolper-steinen nur so gepflastert sei, wie
die jüngsten Entwicklungen in China zeigen, die der BGA mit Sorge
beobachtet.

Keinen nachhaltigen Schaden für den guten Ruf deutscher Produkte
sieht er durch den VW-Skandal. Made in Germany sei die Summe vieler
Produkte und Dienstleistungen, die davon nicht betroffen seien.
Natürlich gingen die Vorgänge um VW nicht spurlos an den
ausländischen Kunden vorbei. Nur mit einer restlosen Aufklärung lasse
sich ein Imageschaden für den Standort Deutschland vermeiden.
Diejenigen, die die Sorge vor einer Absenkung der Standards für den
Verbraucherschutz durch das geplante Freihandelsabkommen der EU mit
den USA umtreibe, sollten wenigstens zur Kenntnis nehmen, dass die
jüngsten Skandale in der deutschen Wirtschaft durch US-amerikanische
Ermittler aufgedeckt wurden. So schlecht könne es da mit den
Schutzstandards in den USA nicht bestellt sein.

Die Art und Weise, wie Deutschland mit der Flüchtlingsproblematik
umgehe, habe natürlich auch Konsequenzen für die Wahrnehmung
Deutschlands im Ausland. Das so viele so schnell kommen würden, habe
niemand vorhersehen können, auch die Bundesregierung nicht. Er zeigte
sich aber überzeugt, dass man die Lage organisatorisch wieder in den
Griff bekomme. Fakt sei, dass die Menschen da seien und eine
Ausgrenzung langfristig keine Lösung sein könne.

„Deutschlands Gesellschaft ist auf den Außenhandel und die
weltweite Präsenz seiner Wirtschaft auf Gedeih und Verderb angewiesen
und somit vom guten Ruf seiner Produkte und Leistungen abhängig, aber
in gleicher Weise auch vom guten Ruf als offenes, freundliches und
demokratisches Land. Wer diesen Ruf gefährdet, muss wissen, dass er
damit gerade der deutschen Bevölkerung immens schadet, da dann die
Wirtschaftsleistung nicht mehr erbracht werden kann, die das Land für
die Finanzierung seiner Renten, der Versorgung der Kranken und der
Arbeitslosen dringend braucht. Jede Form von Nationalismus,
Abschottung und Protektionismus führt mindestens zu einem spürbaren
Absinken des Wohlstands, zu Arbeitslosigkeit und langfristig zu
Altersarmut“, so der BGA-Präsident abschließend.

35, Berlin, 27. Oktober 2015

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