Der zwölfte Senat des Bundesgerichtshofs hat sein unter Aktenzeichen XII ZB 292/16 geführtes Verfahren um die Wirksamkeit einer im Ausland geschlossenen Kinderehe dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Hintergrund sind Zweifel des BGH an der Verfassungsmäßigkeit der Nichtanerkennung von im Ausland geschlossenen Kinderehen.
Den Hintergrund des Verfahrens bildet eine im Februar 2015 in Syrien vor einem Scharia Gericht geschlossene Ehe. Während der Bräutigam zu diesem Zeitpunkt bereits 21 Jahre alt war, trug die Braut ihr Hochzeitskleid bereits im Alter von 14 Jahren. Aufgrund des Bürgerkriegs in Syrien floh das Ehepaar im August 2015 nach Deutschland. In Aschaffenburg wurde das Ehepaar getrennt und die Ehefrau als allein reisende Minderjährige erfasst. Entsprechend kam es in die Obhut des Jugendamtes. Das zuständige Amtsgericht ordnete daraufhin die Vormundschaft des Jugendamtes an. Aufgrund der vom Ehemann angestrengten Überprüfung wurde durch das Amtsgericht eine Regelung des Umgangs für die Eheleute am Wochenende erlassen. Die gegen diese Regelung des Umgangs gerichtete Beschwerde des Ehemanns wurde vom Oberlandesgericht Bamberg abschlägig beschieden. Der daraufhin angerufene Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat nunmehr den Fall dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.Â
Grundrechtliche Schranken des Schutzes von Ehe und Familie?
Das vorliegende Verfahren zeigt deutlich auf, in welchem Wertungswiderspruch die gesetzlichen Bemühungen des Bundes zum Verbot von Kinderehen und der durch Artikel 6 Grundgesetz garantierte besondere Schutz von Ehe und Familie stehen. Letzterer gilt uneingeschränkt und umfasst daher auch im Ausland geschlossene Ehen. Inwieweit diese grundgesetzlichen Garantien auch für Kinderehen gelten ist seit längerer Zeit Inhalt kontrovers geführter Debatten.
Seit 22. Juli 2017 gilt das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen. Im Zuge dieser Gesetzgebung wurden früher geltende Regelungen einer Heiratsfähigkeit ab Vollendung des 16. Lebensjahres aufgehoben. Diese wird inzwischen erst mit Erlangung der Volljährigkeit ab dem 18. Lebensjahr mit erworben. Minderjährige haben deshalb selbst dann nicht die Möglichkeit zu heiraten, wenn eine Einwilligung der Eltern vorliegt. Zielrichtung der gesetzlichen Neufassung war vor allem die Stärkung der freien Entscheidung zur Eingehung einer Ehe. Diese Regelungen gelten auch für im Ausland geschlossene Ehen.
Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz
Nach derzeitiger Rechtslage kann eine von Minderjährigen im Ausland geschlossene Ehe daher in Deutschland nicht anerkannt werden. Fraglich ist allerdings, ob diese Regelung mit dem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar ist. Ziel der Grundrechte ist der Schutz der Bürger vor staatlicher Einflussnahme. Dies betrifft auch und ganz speziell den familiären Bereich. Hier spricht das Grundgesetz von einem „besonderen“ Schutz und sieht, anders als bei den meisten anderen Grundrechten, grundsätzlich keine Möglichkeit der Beschränkung durch Gesetze vor. Allerdings stehen in diesem Fragen wiederum mehrere Grundrechte in Konkurrenz zueinander. Wenn in anderen Teilen der Welt Kinder mit zwölf Jahren oder noch jünger in Brautjungfernkleider gesteckt werden, kann eine solche fremdbestimmte Verheiratung hierzulande keine Anerkennung finden. Anders kann es aber aussehen, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Ehe mit vierzehn Jahren aus freien Stücken eingegangen wurde. Hier wird sich das Bundesverfassungsgericht schwerwiegende Fragen stellen müssen, in welchem Maße der Staat in die Gestaltung des Familienlebens von Menschen eingreifen darf, die in der Bundesrepublik Deutschland Schutz vor Krieg und Verfolgung suchen.