–Börse Online—Interview mit US-Ökonom Barry Eichengreen: „Die Schuldenkrise ist nur ein Teil des Ganzen“

Warnung vor verschleppter Bankenkrise und
Rezession in Südeuropa / Schuldenabbau sollte verschoben werden /
Wirtschaftshilfen für Krisenländer gefordert / Deutschland für „wenig
hilfreiche Debatten um Verschwendungssucht und Schlendrian in
Südeuropa“ kritisiert

Nach Ansicht von US-Ökonom Barry Eichengreen tut Europa noch zu
wenig, um seine Probleme in den Griff zu bekommen. „Die Schuldenkrise
steht im Vordergrund, sie ist aber nur ein Teil des Ganzen“, sagte
Eichengreen im Interview mit dem Anlegermagazin –Börse Online–
(Ausgabe 20/2012). Ebenso gefährlich sei die verschleppte Bankenkrise
und die Rezession in Südeuropa.

Statt den südeuropäischen Megaschuldnern Sparprogramme
aufzunötigen, die sie kaum erfüllen könnten, fordert Eichengreen, den
Schuldenabbau auf später zu verschieben, wenn die Rezessionsgefahr
gebannt ist. Das größere Übel sei das fehlende Wirtschaftswachstum.
An einer Sanierung der Staatsfinanzen führe zwar kein Weg vorbei. Sie
sei aber nur ein Baustein von vielen. Man solle, so Eichengreen,
keine Wunder erwarten. „Tiefgreifende Umstrukturierungen wie in
Griechenland oder Spanien sind immer mit Schmerzen verbunden.“

Nachdem die bislang eingeleiteten Sparmaßnahmen nicht die erhoffte
Beruhigung an den Kapitalmärkten bewirkt hätten, plädiert der
60-Jährige nun für Plan B. Der könne darin bestehen, die Wirtschaft
in den betroffenen Staaten anzukurbeln. „Von einer solchen
Wachstumsstrategie ist weit und breit nichts zu sehen“, kritisierte
der Ökonom gegenüber –Börse Online–. Natürlich erforderten
Konjunkturhilfen zusätzliche finanzielle Mittel. „Auf solche
Maßnahmen zu verzichten, wäre im Endeffekt aber teurer“,
argumentierte Eichengreen. Dann laufe Europa Gefahr, in einen
Teufelskreis aus Wachstumsschwäche und bleibend hoher Verschuldung
abzurutschen.

Vor allem von Deutschland erwartet Eichengreen mehr Engagement.
Die Bundesrepublik müsste „wegen der positiven Nachkriegs-Erfahrung ,
die das Land im Rahmen des Marshallplans gemacht hat, besser als
andere nachvollziehen können, weshalb einige Länder jetzt gezielte
Wirtschaftshilfen brauchen“, begründete er. „Statt wenig hilfreiche
Debatten um Verschwendungssucht und Schlendrian in Südeuropa zu
führen, sollte Deutschland seine Partner in der Eurozone
unterstützen.“

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