Die Tarifrunde in der Metall- und
Elektroindustrie geht in die heiße Phase – und es droht ein Streit
wie seit Jahren oder gar Jahrzehnten nicht. Nun müssen beide Seiten
Maß und Mitte wahren: Die Arbeitgeber sollten sich überfälligen
Diskussionen nicht verweigern, aber die IG Metall darf auch nicht
überziehen. So sehr die Wirtschaft in Deutschland aktuell auch
brummt, so wenig kann sie einen Streik in der Schlüsselbranche
gebrauchen.
Die 6-Prozent-Lohnforderung der IG Metall ist da sicher noch das
kleinere Problem – denn sie ist erst einmal nur genau das: eine
Forderung. Die Arbeitgeber bieten bislang 2 Prozent mehr Gehalt.
Damit scheint ein Kompromiss in der Mitte möglich – und im Übrigen
auch vertretbar: Zieht man die alte Formel „Produktivität plus
Inflation“ zu Rate, scheinen 3 Prozent oder gar ein Schnaps mehr
ökonomisch gerechtfertigt. Viel kritischer, weil kontroverser ist die
Forderung nach einer befristeten Senkung der Arbeitszeit auf 28
Wochenstunden – teils mit Lohnausgleich. Die IG Metall pocht auf mehr
Zeitsouveränität der Beschäftigten – und droht mit den neuen
24-Stunden-Warnstreiks oder gar raschen Flächenstreiks. Die
Arbeitgeberseite will im Gegenteil die Optionen für mehr Arbeit pro
Woche ausweiten – und brandmarkt den IG-Metall-Vorstoß gar als
illegal.
Mit der Forderung nach Teillohnausgleich etwa für Beschäftigte,
die Kinder erziehen oder Familienangehörige pflegen, schießt die
Gewerkschaft wohl etwas übers Ziel hinaus. So verdienst- und wertvoll
diese Tätigkeiten sind, so wenig sollte deren Finanzierung primär bei
den Unternehmen abgeladen werden. Das ist zuallererst eine
gesamtgesellschaftliche Verantwortung.
Was die Arbeitszeitverkürzung an sich betrifft, müssen aber beide
Seiten ideologisch abrüsten. Die Gewerkschaft muss anerkennen, dass
viele Betriebe den Beschäftigten auch jetzt schon entgegenkommen –
auch wenn es da viel Verbesserungspotenzial gibt. Sie darf zudem die
Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und die Beschäftigungschancen
aller Arbeitnehmer nicht aus dem Blick verlieren. Die Arbeitgeber
dürfen indes nicht übersehen, dass es im EU-Vergleich bereits eine
starke Flexibilität gibt – auch wenn sie sich mehr wünschen. Zudem
müssen sie angesichts des Fachkräftemangels ein ureigenes Interesse
haben, Familie und Beruf besser zu vereinen.
Viele Arbeitszeitregeln stammen noch aus den 1980er Jahren. Die
Zukunft der Arbeitswelt – Stichwort: Digitalisierung – macht es
nötig, die Bedürfnisse von Unternehmen und Beschäftigten neu
auszutarieren, wobei die Lösung von Betrieb zu Betrieb verschieden
sein wird. Ein solcher Ausgleich ist im Interesse aller – das muss
jetzt die Maxime sein.
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