Börsen-Zeitung: Auch so geht Retail Banking, Kommentar zum nächster Akt im Bankendrama um die vormalige Bank für Gemeinwirtschaft von Bernd Wittkowski

Nächster Akt in einem jahrzehntealten
Bankendrama: Die vormalige Bank für Gemeinwirtschaft (BfG), in diesem
Fall das Retailgeschäft, bekommt mit dem Banco Santander ihren
bereits fünften Haupt- oder Alleineigentümer. Das ist eingedenk einer
erst gut 50-jährigen Firmengeschichte etwas zu viel Bewegung im
Aktionariat, als dass ein in verschiedener Hinsicht auf Stabilität
angewiesenes Kreditinstitut eine Erfolgsgeschichte schreiben könnte.
Erst waren es die Gewerkschaften (neben den Konsumgenossen), die das
Geldgeschäft neu erfinden wollten und mit der BfG in der Gemengelage
von Gemeinwohlorientierung und Großbankambitionen zunächst durchaus
reüssierten. In den achtziger Jahren wurde die Bank zum
Sanierungsfall, auch im Zuge des Skandals um den gewerkschaftseigenen
Wohnungsbaukonzern Neue Heimat. Aachener und Münchener
Versicherungsgruppe, Crédit Lyonnais und SEB (seit 2000) hießen
danach die häufig wechselnden Gesellschafter.

Ein ums andere Mal experimentierten die Eigentümer mit der
bedauernswerten BfG herum. Restrukturierung war für dieses Institut
und seine Beschäftigten noch mehr ein Dauerzustand, als es in der
Branche ohnehin üblich ist. Das kann nicht gut gehen auf einem
Retailbankenmarkt, der zu den wettbewerbsintensivsten und damit
anspruchsvollsten weltweit gehört. Wer hier antritt, muss
Privatkundengeschäft wirklich können. Auch die Schweden können es
offenbar nicht, zumindest nicht mit dem bei der BfG-Übernahme
artikulierten europäischen Wachstumsfokus. Die SEB muss jetzt unterm
Strich sogar drauflegen, um den verlustreichen Retailteil der einst
für 1,6 Mrd. Euro gekauften Tochter loszuwerden – welch ein Desaster!

Dass der angeblich verkrustete, von Sparkassen und Kreditgenossen
dominierte deutsche Privatkundenmarkt gerade für ausländische
Neueinsteiger, die ihr Geschäft verstehen, enormes Potenzial bietet,
zeigen die Beispiele ING-DiBa (auch eine einstige Gewerkschaftsbank)
und eben des „BfG“-Käufers Santander. Beide haben sich hierzulande
auf sehr unterschiedliche, aber jede für sich atemraubende Weise
binnen weniger Jahre fast aus dem Nichts zu Retailriesen entwickelt,
die zumindest mit ihren Kundenzahlen (jeweils rund 7 Millionen) – die
ING-DiBa aber längst auch mit der Größe der Bilanz – in der Lage
sind, Verbünde und Großbanken strategisch herauszufordern. Auch so
geht Retail Banking am heftig umkämpften deutschen Markt.

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