Börsen-Zeitung: Auf dem Sprung, ein Marktkommentar von Werner Rüppel

In der abgeschlossenen Woche ist die Rendite
zehnjähriger US-Treasuries bis auf 3,246 Prozent geklettert und damit
auf den höchsten Stand seit dem Jahr 2011. Investoren fragen sich, ob
sich der Renditeanstieg fortsetzen wird und welche Auswirkungen dies
auf die Anleihen- und Aktienmärkte in den USA und in aller Welt haben
wird.

Auch wenn manche Analysten bis vor Kurzem noch einen Rückgang
US-Staatsanleiherenditen erwarteten, so spricht inzwischen doch
Vieles dafür, dass sich der Renditeanstieg am langen Ende fortsetzt.
Denn die jüngsten Daten zeigen, dass sich die US-Konjunktur in
hervorragender Verfassung befindet. Auch Fed-Chairman Jerome Powell
erwartet eine Fortsetzung der positiven Entwicklung. Zudem hat er
darauf hingewiesen, dass sich die Arbeitslosigkeit nahe ihrem
50-Jahres-Tief befindet. Dies unterstreichen auch die aktuellen
Zahlen: Im September ist die US-Arbeitslosenquote von 3,9 Prozent im
Vormonat auf 3,7 Prozent gesunken, während die Stundenlöhne um 0,3
Prozent gestiegen sind. Kurzum: Der US-Arbeitsmarkt ist in
angespannter Verfassung und dürfte es auch bleiben.

Powell sagt zwar, dass die US-Teuerungsrate etwa das Ziel der Fed
von 2 Prozent erreicht hat. Das mag für die Kernrate noch in etwa
zutreffen, die im August bei 2,2 Prozent lag, inklusive Lebensmitteln
und Energie betrug die Teuerung 2,7 Prozent und im Vormonat gar 2,9
Prozent. Vor allem sorgen steigende Gehälter und die Anspannung am
Ölmarkt für wachsende Inflationsgefahren. Vor diesem Hintergrund wird
die Fed die Leitzinsen weiter erhöhen, und vielleicht wird eine
höhere Fed-Funds-Rate als bisher erwartet nötig sein, um die Teuerung
einzudämmen.

So stellen die Analysten der Bank Sarasin fest, dass die Märkte
ihr Szenario für die US-Zinsen jetzt neu bewerten. Die Märkte würden
jetzt realisieren, dass die reale Fed-Funds-Rate auf ein höheres
Niveau als bisher erwartet ansteigen müsse, um restriktiv zu wirken.
Für US-Treasuries kommt nun hinzu, dass sich die
Angebots-Nachfrage-Situation markant verschlechtert. Die Fed kauft
keine Staatsanleihen mehr auf. Auch China zieht sich als Käufer von
US-Treasuries zunehmend zurück. Dieser geringeren Nachfrage steht
durch die wachsenden Ausgaben der USA ein zunehmendes Angebot an
Treasuries gegenüber. So stellt die LBBW zurecht fest, dass das
stetig steigende Angebot von US-Staatsanleihen die Gefahr eines
fortgesetzten Ausverkaufs bei langlaufenden Treasuries erhöht. Manche
Beobachter verweisen auf den Ketchup-Flaschen-Effekten und schließen
einen markanten Renditeanstieg nicht aus. Andere haben 1994, das
Horrorjahr am Rentenmarkt, in Erinnerung, als die Rendite
zehnjähriger Treasuries von 5,7 auf 7,8 Prozent um mehr als 200
Basispunkte kletterte.

Viele Analysten erwarten wie die der LBBW nun einen Anstieg der
Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen auf 3,5 Prozent. Aber
vielleicht wird es auch auf 4 Prozent und höher gehen. Eines ist
jedenfalls klar: Die Rendite scheint auf dem Sprung nach oben, und
dieser könnte, da etliche Marktteilnehmer dies anders erwartet haben,
kräftig ausfallen. Schließlich sind die US-Renditen im
Langfristvergleich immer noch auf einem sehr niedrigen Niveau.

Für Anleger am Rentenmarkt sind die Konsequenzen klar: Das lange
Ende ist brandgefährlich. Nicht nur bei Treasuries, sondern ob der
Übertragungseffekte und aufgrund ihrer extrem niedrigen Renditen
auch bei Bunds. Dafür wirft zumindest in den USA das kurze Ende
bereits relativ sichere und durchaus signifikante Renditen ab. Zudem
dürften weitere US-Leitzinserhöhungen sowie steigende US-Renditen dem
Dollar zugute kommen und insbesondere die Aktien- und Anleihenmärkte
der Schwellenländer belasten. Für die Aktienmärkte in den USA und
Europa wird es schwieriger zuzulegen, wenn die Kapitalmarktzinsen
deutlich steigen. 1994 hatte der Dow aber sogar ein leichtes Plus
erzielt, während der Dax zurückfiel.

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