Börsen-Zeitung: Auf- und Abbruch, Kommentar zur Commerzbank von Bernd Neubacher

Aufräumen hat Hochkonjunktur im Bankensektor:
Vier Tage, nachdem die Deutsche Bank fürs Schlussquartal einen
Milliardenverlust vorgelegt hat, kündigt auch die Commerzbank für
Oktober bis Dezember einen satten Fehlbetrag an. Die Deutsche zieht
mit ihren Abschreibungen allerdings offenbar einen vorläufigen
Schlussstrich unter überhöhte Wertansätze der Vergangenheit, auch
wenn enorme Rechtsrisiken bleiben. Die Abschreibungen der Commerzbank
auf latente Steueransprüche lassen dagegen darauf schließen, dass die
Bank zumindest fürs Erste die Hoffnung auf hohe Gewinne fahren lässt.
Schließlich wird der Buchwert latenter Ertragsteuerforderungen
reduziert, wenn die Chancen abnehmen, dass ein ausreichender
steuerpflichtiger Gewinn vorhanden sein wird, mit dem sich die
Forderungen verrechnen lassen.

Für Commerzbank-Chef Martin Blessing sind der Quartalsverlust und
auch das knapp über der Nulllinie landende Konzernergebnis 2012 ein
weiterer Rückschlag im Bemühen, die Anleger zu überzeugen. Der Weg
des Mannes, der 2009 für 2012 ein operatives Ergebnis von mehr als 4
Mrd. Euro versprochen hat, nun aber nicht einmal ein Drittel davon
liefert, gleicht schon länger einem Gang durch den Irrgarten: Da wird
noch 2010 der Anteil an der Bank Forum aufgestockt und eine
Kapitalerhöhung wird gezeichnet; 2012 dann nimmt Blessing hohe
Belastungen in Kauf, um die Tochter abzustoßen. Im März 2012 kündigt
die Bank die Bündelung gewerblicher Immobilienfinanzierungen in einem
neuen „Kernsegment“ an; Ende Juni entschließt sie sich zur Abwicklung
der Aktivitäten. Es ist auch nicht so lange her, da brüstete sich
Blessing noch mit der Zahl der Filialen, mit denen die Bank nach
Übernahme der Dresdner im Heimatmarkt präsent sein werde; jetzt wird
die Privatkundensparte mit hohem Aufwand restrukturiert, und
überhaupt streicht die Bank bis zu 6000 Vollzeitstellen, was allein
im laufenden Quartal mit 500 Mill. Euro zu Buche schlägt. Ist es bei
dieser Strategie des Auf- und Abbruchs ein Wunder, dass die Aussicht
auf ausreichende steuerpflichtige Gewinne schwindet?

Irren ist menschlich, wenn auch auf Konzernleitungsebene teuer.
Wenn aber der Aufsichtsrat inmitten eines nicht enden wollenden
Umbruchs für 2012 den auf 500000 Euro bemessenen Gehaltsdeckel für
Vorstandsmitglieder wegen vermeintlich exzellenter Leistungen
aufhebt, entsteht der Eindruck, dass Aktionäre und Mitarbeiter bluten
müssen, während die Chefetage in die Vollen geht. Über demotivierte
Mitarbeiter muss man sich dann nicht mehr wundern.

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