Nach mehreren Anläufen ist es am Freitag nun
endlich geschehen: Erstmals in seiner Geschichte ist der Dax mit
einem Allzeithoch von 9010,65 Punkten über die Marke von 9000 Zählern
geklettert. Der deutsche Leitindex hat damit in einem durchaus
schwierigen Umfeld seit Jahresanfang rund 18% zugelegt – trotz einer
zumindest im ersten Halbjahr noch am Boden liegenden europäischen
Konjunktur und trotz nach wie vor existierender Risiken der
Schuldenkrise.
Für den Höhenflug nicht nur des deutschen Aktienmarktes, sondern
auch der europäischen und amerikanischen Börsen – der
US-Benchmark-Index Standard & Poor–s 500 (S&P 500) hat dieser Tage
auch ein Allzeithoch erreicht – gibt es einen Hauptgrund. Den
Notenbanken unter Führung der Federal Reserve (Fed) gelingt es
offensichtlich nicht, die massive Flutung des Finanzsystems und der
Märkte mit Liquidität auch nur leicht einzuschränken. An der Wall
Street wird bereits gewitzelt, dass aus „QE 3“, also der dritten
Runde des „Quantitative Easing“, längst „QE E“ geworden ist, wobei
der letzte Buchstabe für „Eternity“ bzw. „Ewigkeit“ steht.
Temporärer Kompromiss
Als nächster halbwegs realistischer Zeitpunkt für eine
Einschränkung des pro Monat 85 Mrd. Dollar schweren Bondkaufprogramms
wird nun das zweite Quartal 2014 gehandelt – sofern bis dahin nichts
dazwischenkommt wie beispielsweise ein neuer Haushaltsstreit in
Washington. Da der aktuelle Kompromiss von Demokraten und
Republikanern im Kongress zur Finanzierung der US-Regierung und zur
Anhebung der Schuldengrenze nur bis Ende Januar bzw. Mitte Februar
hält, ist es recht wahrscheinlich, dass die beiden US-Parteien in
einem neuen Konflikt wieder die amerikanische Volkswirtschaft in
Geiselhaft nehmen, mit der Folge, dass die Fed ihr „Tapering“ erneut
verschieben muss.
Zuletzt hatten in der gerade beendeten Handelswoche enttäuschende
Arbeitsmarktzahlen Dax und S&P 500 angetrieben. Dabei handelt es sich
im Grunde um eine leicht perverse Reaktion der Marktteilnehmer: Eine
Konjunktur, die schwächer ist als erwartet, die aber die Fortsetzung
der Liquiditätsspritzen der Fed sichert, ist willkommener als eine
starke Konjunkturentwicklung, wie sie in normaleren Zeiten Motor von
Börsenhaussen gewesen wäre.
Die Unterstützung der Fed, aber auch eine sich inzwischen rund um
den Globus verbessernde Konjunkturlage dürften die Basis für eine
Fortführung der Hausse sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass es im
laufenden Jahr zu einer Jahresendrally kommt, ist in letzter Zeit
deutlich gestiegen.
Lieblinge der Investoren
Dafür sprechen auch die Bewertungsniveaus, die zumindest in Europa
noch nicht in luftige Höhen gestiegen sind. So wird der Dax auf Basis
der Gewinnschätzungen für 2013 mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV)
von 13,5 bewertet (vgl. Grafik). Damit ist der Dax zwar spürbar
teurer als am Jahresanfang, als er lediglich auf ein KGV von 11,1
kam. Der US-Aktienmarkt ist mit einem KGV des S&P 500 von derzeit
16,1 jedoch deutlich anspruchsvoller bewertet als Dax und Euro Stoxx
50. Insofern verwundert es auch nicht, wenn europäische
Dividendentitel derzeit zu den Lieblingen von institutionellen
Investoren rund um den Globus zählen. Es ist daher davon auszugehen,
dass sich die seit Juli kräftigen Mittelzuflüsse in den Dax auch in
den kommenden Monaten fortsetzen. Viele Analysten trauen dem Braten
momentan jedoch noch nicht so ganz. Sie halten es für möglich, dass
es zwischenzeitlich zu einer deutlichen Korrektur kommen könnte.
Allerdings zeigt die Erfahrung der vergangenen Monate, dass
Korrekturen im gegenwärtigen Marktumfeld nur von kurzer Dauer sind
und sehr verhalten ausfallen.
Die Aktienrally dürfte so lange weitergehen, wie die Notenbanken
ihre aktuelle Geldpolitik beibehalten. Die wichtigste Eigenschaft
eines Aktienmarktstrategen wird daher in den kommenden Monaten
zweifellos die Fähigkeit zur Fed-Kaffeesatzleserei sein.
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