Die Assekuranz ist sich einig – von den
Verbänden über die einzelnen Gesellschaften bis hin zu den
Vermittlern. Das gestern ergangene Urteil des Europäischen
Gerichtshofs, das ab Ende 2012 europaweit ohne Ausnahme
geschlechtsunabhängig kalkulierte Tarife vorschreibt, ist
„enttäuschend“ (der europäische Versicherungsverband CEA und der
britische Verband ABI), „falsch“ (HUK-Coburg), zumindest aber
„bedauerlich“ (der deutsche Vermittlerverband BVK<).
Im Zentrum der Kritik steht das Argument, nur Gleiches dürfe
gleich behandelt (sprich kalkuliert) werden, Ungleiches aber
ungleich. Unbestritten ist aber, dass das Geschlecht das Risiko
beeinflusst. Junge Männer bauen mehr Unfälle als gleich alte Frauen,
deshalb zahlen Männer bei sonst gleichem Risiko höhere Prämien in der
Kfz-Haftpflichtversicherung. Auf der anderen Seite leben Frauen
länger, deshalb erhalten sie bei gleich hohen Einzahlungen (Prämien)
niedrigere monatliche Auszahlungen in der privaten
Rentenversicherung.
Auch wenn es noch andere Argumente gegen die
geschlechtsspezifische Differenzierung gibt (Frauen leben länger,
weil sie sich gesünder ernähren, weniger Stress im Beruf haben bzw.
Stress besser verarbeiten können), entscheidend war der schon in der
Richtlinie 2004/113 verankerte Gleichbehandlungsgrundsatz. Er wurde
nachträglich in den Regierungsverhandlungen über die Richtlinie durch
eine Ausnahmeregelung eingeschränkt bzw. durch die Unbefristetheit
dieser Ausnahme faktisch gekippt. Das wollte der EuGH nicht
hinnehmen, weil er damit die in den „Erwägungsgründen“
festgeschriebene Intention der Richtlinie, jegliche Diskriminierung
wegen des Geschlechts zu verbieten, konterkariert sah.
Insbesondere nach dem Votum der Generalanwältin war das Urteil des
EuGH keine Überraschung mehr. Die Branche wird damit gut
zurechtkommen. Die Frist bis Ende 2012 ist für die sicherlich
aufwendigen Neukalkulationen vieler Tarife lang genug. Zwar gibt es
Tendenzen, für welche Gruppe es in welcher Sparte teurer bzw.
billiger werden dürfte. Dass es dann zu großen Ausweichaktionen
kommen wird, ist keineswegs ausgemacht. Denn Alternativen sind nicht
(Kfz-Haftpflicht) oder nur schwer (Krankenversicherung) darstellbar.
Und schließlich: Der bittere Kelch einer Rückwirkung des Urteils ist
an der Branche vorbeigegangen.
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