Als Daimler vor einem Jahr die Neunmonatszahlen
präsentierte, sprachen die Analysten von einer sich abzeichnenden
Trendwende. Wie heftig diese Wende zum Besseren werden würde, damit
hatte niemand gerechnet – auch nicht der Vorstand. Sonst hätte er die
Prognosen für den operativen Gewinn des Jahres 2010 nicht mehrfach
nach oben anpassen müssen.
Mittlerweile ist der Konzern wieder ein Powerhouse. Premium-Pkw
verkaufen sich super, ganz besonders in China und Brasilien, aber
auch wieder in den USA. Die operativen Marge von 9,5% in der
Pkw-Sparte Mercedes-Benz Cars stimmt, auch wenn im dritten Quartal
der Konkurrent Audi (11,1%) vorneweg fuhr. Die Trucks verdienen 7,8%,
das kann sich im Branchenvergleich mehr als sehen lassen. Den
geschäftlichen Erfolgen sei Dank, schiebt Daimler inzwischen eine
Liquiditätswelle im Industriegeschäft von fast 12 Mrd. Euro vor sich
her, der Free Cash-flow beläuft sich zum Quartalsende auf mehr als 5
Mrd. Euro.
Das weckt Begehrlichkeiten. Darauf deuten unter anderem die
zunehmend häufigeren Fragen der Analysten hin, die von Daimler wissen
wollen, was denn mit all dem Geld geschehen soll. Finanzchef Bodo
Uebber jedenfalls gibt erst einmal den Spielverderber. Zwar
verspricht er eine attraktive Dividende, verweist aber auch auf das
bisherige Payout-Ratio von 40%. Schon beim Thema Aktienrückkauf wird
er sehr schmallippig, signalisiert Ablehnung. Ein solchen
Mitteleinsatz zu ihren Gunsten dürfen die Anleger deshalb wohl eher
nicht erwarten.
Natürlich wären höhere Ausschüttungen oder Rückkäufe Musik in den
Ohren der Investoren. Wer aber als Konzern eine Krise wie die der
Jahre 2008 und 2009 hinter sich hat, der wird sich ob der frischen
Erfahrung hüten, das Füllhorn auszuschütten. Uebber konstatiert, dass
Daimlers Basisszenario eine nachhaltig positive Entwicklung auf den
globalen Fahrzeugmärkten vorsieht. Aber er kennt auch die Risiken:
Double-Dip in den USA, Hard Landing in China und globaler
Währungskrieg. Ganz zu schweigen von den Milliarden, die Daimler in
den nächsten Jahren in alternative Antriebe und Technologien zur
CO2-Senkung fließen lassen muss.
Daimler kommt gestärkt aus der Krise. Die Chefetage darf aber
getrost den Sirenengesängen der Shareholder widerstehen.
(Börsen-Zeitung, 29.10.2010)
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