Reformen sehen anders aus. Aber nach der Vorlage
von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble war am Ende der 
Verhandlungen zwischen den Koalitionären nichts anderes zu erwarten 
als ein fauler, weil bequemer Kompromiss. Wieder sind 
Partikularinteressen bedient worden. Ein bisschen Erleichterungen für
Familienbetriebe hier, ein bisschen Mehrbelastung für reiche 
Firmenerben dort. Und für alle deutlich mehr Bürokratie.
   Ob das neue Gesetz zur Erbschaftsteuer nicht nur Bundestag und 
Bundesrat passieren, sondern auch einer wahrscheinlichen abermaligen 
Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht standhalten wird, ist 
nach den eher kosmetischen Änderungen fraglich. Denn der 
Hauptkritikpunkt der Verfassungsrichter, nämlich die 
unverhältnismäßigen Begünstigungen beim Vererben großer 
Unternehmensvermögen, ist nur halbherzig angegangen worden. Warum 
beginnen große Betriebsvermögen im Sinne des Gesetzes erst bei 26 
Mill. Euro? Und ist es in einer Welt des immer schnelleren 
wirtschaftlichen Wandels wirklich sinnvoll, via Steuergesetzgebung 
Kapital für die Dauer von sieben Jahren in einem Betrieb zu binden?
   Jede Menge Ausnahmeregelungen verwässern auch dieses noch vor der 
Sommerpause vom Bundestag zu beschließende Erbschaftsteuergesetz und 
schaffen Gestaltungsspielräume. Das ist für Steueranwälte ein 
wunderbares Betätigungsfeld und in deren Interesse, nicht aber im 
Sinne der übrigen Steuerzahler und der deutschen Wirtschaft.
   Gewiss, jede Erbschaftsteuer auf Betriebsvermögen ist eine 
Gratwanderung zwischen Wirtschaftsinteressen und 
Gerechtigkeitszielen. Unter dem Aspekt der Wettbewerbsfähigkeit des 
Investitionsstandortes, der Sicherung von Arbeitsplätzen und auch der
Steuergerechtigkeit wäre es besser, den zur Steuervermeidung 
treibenden hohen Erbschaftsteuersatz auf betriebliche Vermögen 
deutlich zu senken und im Gegenzug die vielen Ausnahmen abzuschaffen.
Denn die schon bisher geltenden und weiterhin vorgesehenen 
Verschonungsregeln sind für den einen Teil der Betriebserben zu 
großzügig und führen zur Steuervermeidung – allein 19 Mrd. Euro in 
den Jahren 2009 bis 2012. Für den anderen Teil aber sind sie zu 
rigide, und die Steuerlast bedroht dann die Existenz der Unternehmen.
   Ein tatsächlicher Erbschaftsteuersatz von 10 oder 15%, dessen 
Zahlung in bestimmten Fällen zinslos gestreckt werden könnte, würde 
weder Erben überfordern noch Familienunternehmen ins Ausland treiben.
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