Börsen-Zeitung: China tritt auf die Bremse, Kommentar zur Leitzinserhöhung von Ernst Herb

Nachdem die chinesische Regierung vor zwei
Jahren auf die globale Finanzkrise mit einem Öffnen der Geldschleusen
reagiert hatte, machen sich jetzt zunehmend die unerwünschten
Nebeneffekte bemerkbar wie die beschleunigte Teuerung. Die von Chinas
Zentralbank über das Wochenende zum zweiten Mal innerhalb von weniger
als zwei Monaten verfügte Erhöhung der Leitzinsen kommt deshalb nicht
überraschend. Von einem solchen Schritt gingen auch die chinesischen
Börsen aus, die in Erwartung einer Straffung der Geldpolitik seit
Anfang November um 10% nachgegeben hatten.

Chinas Regierung und die ihr direkt unterstellte Zentralbank haben
aber nicht nur den steigenden Konsumentenpreisen den Kampf angesagt,
sondern auch der Bildung von Blasen auf dem Immobilien- wie dem
Aktienmarkt. Noch vor dem jüngsten Zinsentscheid wurden die
Geschäftsbanken mehrfach angewiesen, ihre bei der People–s Bank of
China hinterlegten Mindestreserven zu erhöhen. Auf staatliches Geheiß
sind zudem fremdfinanzierte Aktien- und Immobilientransaktionen
deutlich eingeschränkt worden. Auch setzt Peking zur Bekämpfung der
importierten Inflation zunehmend auf das Instrument Wechselkurs. Es
zeichnet sich somit eine beschleunigte Aufwertung der Landeswährung
Yuan ab, wie zuletzt vor allem von den USA gefordert, von China
jedoch immer wieder hinausgeschoben worden war.

Dass sich Peking nun darauf einlässt, zeigt die Dramatik der
innenpolitischen Lage. Denn nichts fürchtet die oberste politische
Führung mehr als soziale Spannungen, die durch steigende Preise, ein
Platzen der Finanzmarktblase oder eine Bankenkrise ausgelöst werden
könnten. Auch der Ende der achtziger Jahre erfolgte Ruf nach
politischen Reformen wurde schließlich durch das damals
vorherrschende inflationäre Klima mitverursacht.

Die bislang verfolgte Politik des Wachstums um jeden Preis gehört
damit fürs Erste der Vergangenheit an. Das dürfte in nächster Zeit in
einer schlechteren Börsenperformance zum Ausdruck kommen. Zugleich
besteht bei dem Bremsmanöver auch die Gefahr, dass die
Wirtschaftslenker in Peking überreagieren und das Wachstum ganz
abwürgen – mit ebenfalls verheerenden sozialen Folgen. Chinas
Wirtschaftspolitik ist nach Jahren ungestümen Wachstums also
eindeutig in eine Konsolidierungsphase eingetreten.

Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069–2732-0
www.boersen-zeitung.de