Börsen-Zeitung: Das Gebot der Stunde / Kommentar zum Einstieg des Finanzinvestors KKR bei Axel Springer von Heidi Rohde

Für Investoren auf der Suche nach preisgünstigen
Übernahmezielen ist die hiesige Medienbranche unzweifelhaft ein
Blickfang. Bei ProSiebenSat.1 verführte ein Kursverfall von 45%
binnen Jahresfrist die vom umtriebigen Ex-Regierungschef Silvio
Berlusconi kontrollierte italienische Sendergruppe Mediaset zum
Einstieg; Axel-Springer-Aktien waren zuletzt rund 30% weniger wert
als vor einem Jahr. Hier nutzt nun KKR die Gunst der Stunde.

Als langjähriger früherer Eigentümer von ProSiebenSat.1 ist für
die im Mediengeschäft erfahrene Private-Equity-Gesellschaft bei dem
Berliner Verlag der Boden bereitet. Konzernchef Mathias Döpfner, der
als wesentlicher Architekt des angestrebten „Konsortiums“ aus KKR,
Verlagserbin Friede Springer und ihm selbst gelten darf, hat die
Verschuldung des Konzerns zuletzt wieder auf ein relativ komfortables
Maß zurückgefahren, das auch Spielraum für den Einstieg eines
Investors lässt, der klassisch auf einen Schuldenhebel setzt.
Überdies trägt die geplante Struktur dem Anspruch Rechnung, den
Döpfner vor drei Jahren auch mit der damals geplanten Umwandlung von
Springer in eine KGaA verfolgt hatte: der Aufnahme zusätzlicher
Mittel, ohne die Durchgriffsrechte von Friede Springer zu gefährden,
falls diese ihre Mehrheit im Zuge von Kapitalmaßnahmen verlieren
sollte. Das Unterfangen war damals auf breiten Widerstand gestoßen
und wurde deshalb aufgegeben.

Auch der nun erwogene Schritt ist ein Wagnis, vor allem für KKR,
die ein öffentliches Angebot an den Streubesitz eines
MDax-Unternehmens wagt – mit allen Risiken durch bekannte
„Störenfriede“ (Hedgefonds) und die Dauer eines langen Squeeze-out.

Wenn das Going Private indes gelingt, behält die Familie zusammen
mit Döpfner das Sagen bei Springer und kann ihre Strategie
unbehelligt von nervösen Zuckungen der Börse vorantreiben. Sie
gewinnt zudem einen kapitalstarken Partner, der die ambitionierten
Umbau- und Expansionspläne unterstützen kann. Döpfner hat wenig
Zweifel daran gelassen, was er für das Gebot der Stunde hält:
Investitionen in die „digitalen Wachstumsfelder“ im Journalismus und
im Rubrikengeschäft mit dem Ziel einer kritischen Größe, die auch
der Konkurrenz von allen US-Internetriesen gewachsen ist.

Darüber hinaus hat Springer auch den großen Wurf nicht gescheut.
2015 war der Versuch einer Fusion mit ProSiebenSat.1 gescheitert.
Eine Wiederauflage wäre mit KKR als Partner nicht ausgeschlossen,
wobei Mediaset dies just erschwert hat.

(Börsen-Zeitung, 31.05.2019)

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