Manche Hoffnung hatte die G20-Gruppe der
führenden Industrie- und Schwellenländer geweckt, als sie sich 2008
nach der Lehman-Pleite formierte, um das globale Finanzsystem zu
stabilisieren. Tatsächlich hat die selbst ernannte Weltregierung, in
der Wirtschaftsnationen wie China, Indien oder Brasilien nun einen
festen Platz am Verhandlungstisch haben, anfangs viel angestoßen.
Kein Finanzakteur, kein Finanzplatz und kein Finanzprodukt sollte
unreguliert sein, so der Leitsatz.
Neue Eigenkapitalvorgaben für Banken sind seitdem weit gediehen,
ein Abwicklungs- und Restrukturierungsregime für systemrelevante
Kreditinstitute, ein Bankenfonds – gespeist von der Branche – für
künftige Krisenfälle sind entstanden. Leerverkäufe hat der
Gesetzgeber eingeschränkt und auch den Hochfrequenzhandel. Der
Anleger als Verbraucher ist besser abgesichert. Für den Handel mit
außerbörslichen Derivaten wurden neue Standards gefunden,
Hedgefonds-Manager stehen unter schärferer Kontrolle und über den
Umgang mit Schattenbanken laufen intensive
Gesetzgebungsverhandlungen. Dies alles gilt für Deutschland und für
Europa. Man mag mit einzelnen Ergebnissen nicht einverstanden sein,
weil sie in der Spanne zwischen „weißer Salbe“ und „Überregulierung“
changieren, aber es hat sich etwas bewegt in der
Finanzmarktregulierung.
Vor dem G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag
und Freitag in St. Petersburg kämpft die Bundesregierung noch um
einen verbindlichen Zeitplan für die flächendeckende globale
Regulierung von Schattenbanken und OTC-Derivaten. Aber nicht einmal
dieser Minimalkonsens ist nach bisherigem Verhandlungsstand
gesichert. Dabei war dieses alte Thema schon beim Gipfel in Cannes
2011 und erneut in Los Cabos 2012 vertagt worden.
Auch bei anderen Themen sind die G20-Staaten heillos zerstritten.
Die in Toronto 2009 vereinbarten fiskalischen Ziele gegen die
Verschuldungsspirale stehen bei vielen Ländern nur auf dem Papier.
Dissens besteht zudem über wirtschaftspolitische Instrumente: Länder
wie die USA hoffen auf Wachstum. Ausgabendisziplin ist verpönt. Um
die Lage am Arbeitsmarkt und bei der Infrastruktur zu verbessern,
geht das Gespenst von Konjunkturprogrammen um. Von der jeweiligen
Präsidentschaft in der G20 hängt ab, welches Thema gerade Priorität
hat. Nach fünf Jahren teilt die G20 damit das Schicksal aller
multinationalen Institutionen: Sie ist ein Debattierclub geworden mit
wenig Aussicht auf Ergebnisse.
(Börsen-Zeitung, 3.9.2013)
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069–2732-0
www.boersen-zeitung.de
Weitere Informationen unter:
http://