Börsen-Zeitung: Der Goldrausch ist vorbei, Börsenkommentar „Marktplatz“ von Dieter Kuckelkorn

Noch bis vor kurzem sah es so aus, als würde
2011 wie schon das Vorjahr im Zeichen des Investmentthemas Gold
stehen. Nachdem der Preis des Metalls 2010 um 30% zugelegt und
Anlegern damit satte Gewinne beschert hatte, waren viele Analysten
auch für den laufenden Turnus zuversichtlich. So sagten
beispielsweise die Analysten von Goldman Ende vergangenen Jahres für
2011 einen Anstieg der Notierung auf 1690 Dollar je Feinunze voraus.
Viele Analysten anderer Häuser veröffentlichten ähnliche Prognosen.
Inzwischen hat sich die Lage stark verändert. Der Goldpreis ist am
Freitag zeitweise auf 1337 Dollar gesunken. Die ist immerhin der
niedrigste Stand seit dem 17. November. Seit Jahresanfang hat sich
der Goldpreis um rund 50 Dollar bzw. fast 4% reduziert.

Für Gold sieht es derzeit charttechnisch nicht besonders gut aus.
Der Preis des Edelmetalls ist aktuell unter seinen
50-Tage-Durchschnitt gefallen. Noch befindet sich die Notierung
allerdings über dem 200-Tage-Durchschnitt, der momentan bei 1274
Dollar steht. Sollte auch dieses Niveau unterboten werden, ist
Chart-Analysten zufolge ein weiterer Kursverlust um rund 100 bis 150
Dollar zu erwarten.

Für die aktuelle Korrektur spielt es eine große Rolle, dass sich
Investoren derzeit in Scharen aus Gold-Investments in Form von
börsennotierten Investmentfonds (Exchange Traded Funds, ETF)
zurückziehen. So hat allein der weltgrößte Gold-ETF, der SPDR Gold
Shares Trust, in der vergangenen Woche seine Goldvorräte um 20 Tonnen
reduzieren müssen. Damit hat sich der Rückzug der Anleger stark
beschleunigt, denn in der Woche davor war der ETF nur um 1,2 Tonnen
geschrumpft. Aktuell kommt der Fonds noch auf 1251 Tonnen Gold, zu
seinen besten Zeiten im Juni 2009 waren es 1320 Tonnen.

Was die Investoren dazu veranlasst, beim Gold das Weite zu suchen,
ist eine gegenüber dem Jahresanfang veränderte fundamentale Lage. So
haben sich die konjunkturellen Perspektiven rund um den Globus
aufgehellt. Die Wirtschaftskrise ist lange vergessen. Für die USA
wird im laufenden Jahr jetzt ein Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um
3,3% erwartet. China hat im vierten Quartal 2010 um 9,8% expandiert,
wobei die meisten Ökonomen davon ausgehen, dass das Reich der Mitte
dieses Tempo im gesamten Jahresverlauf in etwa beibehält. Und sogar
Europa präsentiert sich ungewohnt dynamisch mit einem erwarteten
Anstieg der Wirtschaftsleistung in Deutschland im laufenden Turnus um
2,3%. Von dem überraschend hohen Wirtschaftswachstum sollten
risikoreichere Assets wie Aktien profitieren, die im Vergleich zum
sich nicht verzinsenden Gold attraktiver werden.

Hinzu kommt ein weiterer Punkt: Rund um den Globus ebben die
Krisenängste ab. In Europa lässt die Schuldenkrise nach, die
Gemeinschaftswährung wird nicht länger als unmittelbar bedroht
empfunden. Damit schwindet auch das Bedürfnis der Investoren, sich
nach einem sicheren Hafen umzusehen.

Die unerwartet robuste Konjunktur hat auch ihre Schattenseite:
Zumindest in China und in Europa hat sich die Inflation
zurückgemeldet. In der Eurozone ist sie zuletzt auf 2,2% gestiegen,
damit auf den höchsten Stand seit zwei Jahren. In China ist die
Geldentwertung im Dezember sogar auf 5,1% geklettert. Zwar ist Gold
das klassische Investment zur Sicherung des Vermögens in Zeiten
rasant steigender Preise. Von Inflationsniveaus, bei denen derartige
Investmentstrategien angesagt sind, ist die Welt allerdings noch weit
entfernt. Zunächst einmal dürften die nun schneller als bisher
erwartet erfolgenden Leitzinsanhebungen die relative Attraktivität
etwa von Anleihen gegenüber Gold erhöhen.

Und es gibt derzeit noch einen weiteren Zusammenhang von
Geldentwertung und Goldpreis. Der Inflationsdruck stammt zu einem
großen Teil von den Nahrungsmittelpreisen. Die Notierungen von
Agrarrohstoffen heben derzeit ab – was viele Anleger veranlasst, von
den Edelmetallen in die lukrativeren Soft Commodities umzuschichten.

Die beschriebenen Veränderungen der fundamentalen Lage dürften
noch für eine ganze Weile relevant sein. Sofern nicht wieder
Krisenängste hochkochen – wobei das größte Risiko sicherlich von der
europäischen Schuldenkrise ausgeht -, dürften die Edelmetallpreise
gedrückt bleiben. Der Goldrausch ist also bis auf Weiteres vorbei.

(Börsen-Zeitung, 22.1.2011)

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