Börsen-Zeitung: Die Basis macht–s, Kommentar von Reinhard Kuls zum Geschäftsklimaindexdes Ifo-Instituts

Keine Veränderung ohne Basis, lautet ein eherner
Grundsatz der Wirtschaftsberichterstattung. Nie sollte gegen ihn
verstoßen werden. „Großkonzern Vielversprech AG verdreifacht
Reingewinn!“ gibt eine prima Schlagzeile ab. Stand im Jahr davor aber
gerade mal ein Positivsaldo von 10 Cent am Ende der Gewinn- und
Verlustrechnung, relativiert sich das Ganze doch erheblich. Keine
Veränderung ohne Basis also.

Was aber, wenn die Basis selbst verändert wird? Auch da ist
Vorsicht angebracht. Eine neue Referenzgröße kann zu markanten
Unterschieden führen – oder aber auch nicht.

Das Ifo-Institut hat, wie es dies regelmäßig etwa alle fünf Jahre
macht, wieder die Basis für seinen Geschäftsklimaindex modernisiert.
Das Referenzjahr ist jetzt 2005 anstelle von 2000.

Blickt man in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung dieser
beiden Referenzjahre, so zeigen sich beträchtliche Unterschiede. 2000
war ein Boomjahr mit dem dritthöchsten Wirtschaftswachstum seit der
Wiedervereinigung: real plus 3,2%. Das neue Basisjahr gibt sich da
schon bescheidener mit seiner unterdurchschnittlichen Ausweitung des
Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,8%. So verwundert es nicht, dass das
aktuelle Niveau des Münchener Konjunkturbarometers durch die neue
Basis weiter nach oben rückte, als es sich auf der alten Grundlage
dargestellt hat. Zusätzliche Veränderungen, insbesondere in den
Branchenindikatoren, hat der Umstand bewirkt, dass das Ifo-Institut
auch seine Klassifikation der einzelnen Wirtschaftszweige
überarbeitet hat.

Hat der Ifo-Geschäftsklimaindex, einer der wichtigsten
Frühindikatoren für die deutsche Konjunktur, damit aber nun an
Aussagekraft eingebüßt? Sicher nicht. Die Aktualisierung der
Branchenabgrenzungen ist von Zeit zu Zeit notwendig, denn es sollte
ja dem ständigen Strukturwandel in der deutschen Wirtschaft Rechnung
getragen werden. Und das Indexniveau, das durch die Revision nun um
satte 4 Punkte höher liegt, sollte ohnehin nicht absolut verstanden
werden. Der Index war schon immer nur relativ zu verstehen, also in
der Grundtendenz seiner monatlichen Veränderung. Eine
Eins-zu-eins-Übersetzung des Geschäftsklimaindexes in
BIP-Veränderungsraten, womöglich gar aufs Komma genau, war noch nie
möglich, denn der Ifo-Index ist ein qualitativer Indikator.

Ob Basis 2000 oder 2005, noch immer bescheinigt der Ifo-Index der
deutschen Konjunktur eines: Sie strotzt vor Kraft, und es wird Zeit,
dass sich das hohe Wachstumstempo etwas verringert. Sonst droht
Überhitzung.

(Börsen-Zeitung, 25.5.2011)

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