Bayer, aber auch die Pharmaindustrie generell
müssten die segensreichen Wirkungen innovativer Medikamente besser
kommunizieren, fordert Bayer-Chef Marijn Dekkers. Viele Patienten
wüssten häufig nicht, welches Medikament von welchem Unternehmen
ihnen das Leiden lindere oder gar das Leben gerettet habe.
Da mag etwas dran sein. Doch speziell Bayer hat noch ein anderes
Wahrnehmungsproblem, und zwar am Aktienmarkt. Dort werden die
Leverkusener nach wie vor wie ein Chemieunternehmen und nicht wie ein
Life-Sciences-Konzern bewertet. Der Ausblick auf steigende
Rohstoffpreise und auf die konjunkturellen Risiken für das
Bayer-Chemiesegment MaterialScience haben gestern bei der
Bilanzvorlage die aussichtsreichen Perspektiven im Gesundheits- und
Pflanzenschutzgeschäft überlagert und die Aktie umgehend auf Talfahrt
geschickt.
Und auch jenseits der Tagesperformance lässt sich das Problem
erkennen: So verzeichneten die Bayer-Titel inklusive der 2011
ausgezahlten Dividende von 1,50 Euro je Aktie im vergangenen Jahr
einen Wertverlust von 8% und damit in derselben Höhe wie der Euro
Stoxx Chemicals Index. Der Euro Stoxx Health Care Index dagegen legte
um 21% zu.
Noch ziert sich der seit Oktober 2010 amtierende Vorstandschef
Dekkers, das Chemiegeschäft zum Verkauf ins Schaufenster zu stellen
und Bayer vollständig auf LifeScience zu konzentrieren. Dekkers
verweist – nicht zu Unrecht – auf die guten Marktpositionen als
führender Hersteller von Kunststoffgranulaten, von Vorprodukten für
Schaumstoffe sowie für Lacke und Farbstoffe. Aber will er warten, bis
Bayer in diesem kompetitiven und konjunkturabhängigen Markt an Boden
verloren hat und das Chemieportfolio nicht mehr aus einer Position
der Stärke verkaufen kann?
Dekkers will Bayer unter die zehn umsatzstärksten Unternehmen im
Pharmamarkt führen. Heute rangiert man auf Platz 15. Einen solchen
Sprung schafft nur, wer über eine solide finanzielle Basis verfügt
und die Ressourcen bündelt. Die Finanzen sind nach dem Kraftakt der
Schering-Übernahme im Jahr 2006, der die Finanzschulden auf 20 Mrd.
Euro katapultierte, mit aktuell 7 Mrd. Euro Netto-Finanzschulden
wieder in belastbarer Verfassung. Wenn sich Bayer beim
Akquisitionssprung nach vorn zugleich vom Chemiegeschäft
verabschiedete, könnte sich Bayers Losung „Science For A Better Life“
nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch für die Aktionäre noch
eindrucksvoller mit Inhalt füllen.
(Börsen-Zeitung, 29.2.2012)
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