Börsen-Zeitung: Die EZB wacht auf, Kommentar zur überraschend deutlichen Zinsrhetorik des Chefs der Europäischen Notenbank, Jean-Claude Trichet, von Stephan Balling

Die Europäische Zentralbank (EZB) schwenkt
wieder auf Stabilitätskurs ein, und das ist gut so. Die faktische
Ankündigung ihres Präsidenten Jean-Claude Trichet, im April den
Leitzins zu erhöhen, ist ein richtiges Signal – nicht nur im Kampf
gegen die anziehende Inflation, sondern auch im Einsatz für
Finanzstabilität und nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Denn eine zu
lange Zeit extrem niedriger Zinsen – darauf hat auch
EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark bereits hingewiesen – kann zu einer
Fehlleitung volkswirtschaftlicher Ressourcen führen und damit Krisen
auslösen, wenn die Kapitalkosten steigen. Kurz: Extreme
Niedrigzinspolitik ist nichts anderes als die Förderung von Blasen.

Sicher, Eurolands Währungshüter werden für ihren Kurs Kritik
ernten. Die einen werden ihr vorhalten, dass sie nun in der Welt
isoliert sind, weil etwa die US-Geldpolitik weiterhin an ihrem
ultraexpansiven Kurs festhält. Die anderen werden ein Ende der
Konjunkturerholung prognostizieren, vor allem, weil die anziehende
Teuerung angeblich überhaupt nichts mit Geldpolitik zu tun hat,
sondern lediglich mit einem steigenden Ölpreis.

Zum ersten Argument – die EZB kopple sich von der Federal Reserve
(Fed) ab – lässt sich nur eines sagen: bravo! Europa sollte den
gefährlichen Kurs jenseits des Atlantiks nicht mitmachen. Wachstum
und ökonomische Effizienz sind nicht mit Hilfe der Notenpresse zu
erreichen. Natürlich wird eine im Vergleich zu den USA kontraktivere
Politik zu einer Aufwertung des Euro führen und damit den Exporteuren
aus Euroland nicht gefallen. Aber zum einen hängt der Export nicht
nur am Wechselkurs, sondern vor allem an der Qualität der Produkte.
Und zum anderen dürfen sich Eurolands Verbraucher und die
Binnenindustrie freuen: Importe werden günstiger – vor allem Öl und
Rohstoffe, die bekanntlich in Dollar gehandelt werden.

Letzteres hebelt auch den zweiten Kritikpunkt an der EZB-Politik
aus. Selbstverständlich kann eine auf einen Währungsraum begrenzte
Geldpolitik dafür sorgen, dass globale Entwicklungen sich nicht oder
zumindest weniger stark binnenwirtschaftlich auswirken. Sie kann das
nicht nur tun, sie muss es sogar. Trichet sagte gestern, er sei nun
„sehr wachsam“ im Kampf gegen die Inflation. Das ist gut. Bleibt zu
hoffen, dass auch die Politik aufwacht und die von Trichet auch
gestern wieder geforderten Strukturreformen anpackt.

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