Börsen-Zeitung: Die Hoffnung stirbt zuletzt, Kommentar zum Brexit von Andreas Hippin

Die britische Regierung hat derzeit ein großes
Interesse daran, einen Deal mit der EU in greifbare Nähe rücken zu
lassen. Spindoktoren haben Urlaubssperre. Positive Äußerungen aus
London erhöhen den Druck auf die Gegenseite, Zugeständnisse zu
machen, so das Kalkül. Zudem will Premierministerin Theresa May
den Haushaltsentwurf von Schatzkanzler Philip Hammond unbeschadet
durchs Parlament bringen. Sieht es so aus, als käme ihr die EU in
den Verhandlungen entgegen, könnte vielleicht der eine oder andere
Brextremist aus den eigenen Reihen davon absehen, ihn
niederzustimmen.

Das Bedürfnis ist groß, das Thema Brexit endlich hinter sich zu
lassen – auch in den Redaktionsstuben der britischen Medien. Und so
wird ein altes Schreiben des für den Brexit zuständigen
Staatssekretärs Dominic Raab, mit dem dieser vor einer Befragung
durch einen Unterhausausschuss gut Wetter machen wollte, zum Beleg
für die Annäherung der Positionen von Brüssel und London. Es vermag
sogar, den Devisenmarkt zu bewegen. Denn auch in den Handelsräumen
der City gilt: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Nach einem Bericht der
„Times“, in dem von einer „vorläufigen Übereinkunft“ zum
künftigen Handel mit Finanzdienstleistungen die Rede war, herrschte
erneut Euphorie. Michel Barnier setzte ihr mit einem Tweet ein Ende,
in dem der EU-Verhandlungsführer von irreführender Berichterstattung
sprach.

Tatsächlich machte die von dem Blatt beschriebene Einigung den
Eindruck, als hätten sich die Briten mit ihrem Wunsch nach einer
gegenseitigen Anerkennung der Finanzmarktaufsicht, Governance unter
dem noch zu schließenden Handelsabkommen und unabhängiger Schlichtung
weitgehend durchgesetzt. Einziges gesichtswahrendes Zugeständnis
an Brüssel wäre gewesen, das künftig Äquivalenz zu nennen. Barnier
zwitscherte den Briten dazu, dass die An- oder Aberkennung von
Gleichwertigkeit der Regulierung im alleinigen Ermessen Brüssels
liegt.

Das Hin und Her zeigt das grundlegende Missverständnis zwischen
den beiden Seiten. Während die Briten immer noch glauben, dass
am Ende der gesunde Menschenverstand obsiegt und man einen Deal per
Handschlag im Pub besiegeln kann, verstehen sich die bayerischen
Elitejuristen der Kommission als Hüter der europäischen Verträge. Die
EU ist eben kein organisches Wesen, sondern ein Rechtsrahmen. Da ist
der Verhandlungsspielraum zwar eng begrenzt, aber hoffen darf man
immer.

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