In der Eurozone häufen sich die schlechten
Nachrichten: So hat Irland bekannt gegeben, dass die Sanierung des
maroden Bankensystems der Insel deutlich teurer kommt als bislang
gedacht. Rund 50 Mrd. Euro statt bisher geschätzter 35 Mrd. Euro muss
die Regierung insgesamt aufwenden. Das Haushaltsdefizit des Landes
wird im laufenden Jahr satte 32% des Bruttoinlandsprodukts betragen –
was dem Zehnfachen der in der Europäischen Union (EU) erlaubten
Obergrenze entspricht. Hinzu kommt, dass Moody–s das Rating Spaniens
gesenkt hat, was zugegebenermaßen nicht ganz unerwartet gekommen ist.
Die Iberer haben damit bei allen drei großen Agenturen ihr
Triple-A-Rating eingebüßt.
„Double Dip“ im Fokus
An Freitag ist es dann noch schlimmer gekommen. Sowohl in Spanien
als auch in Irland kündigt sich das an, wovor die Ökonomen Angst
haben: In beiden Ländern dürfte ein „Double Dip“-Szenario Realität
werden. In Irland und Spanien sind die Einkaufsmanagerindizes für die
verarbeitende Industrie unterhalb der Schallgrenze von 50 Zählern
hereingekommen, was auf einen Rückfall in die Rezession hindeutet. In
Irland waren auch noch die Einzelhandelsumsätze für den August
deutlich rückläufig, wenn man den dort notorisch volatilen
Automobilabsatz ausklammert.
Und noch ein dritter hoch verschuldeter EU-Peripheriestaat
bereitet weitere Probleme: Die Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit in Europa (OECD) hat jetzt von der portugiesischen
Regierung öffentlich zusätzliche Sparanstrengungen verlangt.
Risiken im Bankensektor
Hinzu kommen die hartnäckigen Risiken im europäischen
Bankensektor, die sich aktuell unter anderem darin manifestiert
haben, dass Moody–s das Rating der vom irischen Staat übernommenen
Anglo Irish Bank von „A3“ gleich um drei Notches auf „Baa3“ gesenkt
hat. An den Märkten tun die Akteure aber noch so, als gehe sie das
alles nichts an. So ist die Volatilität deutscher Aktien gemessen am
VDax-New in den vergangenen vier Wochen nochmals deutlich
zurückgegangen, und zwar von einem Indexstand von 25 auf ein Niveau
von derzeit rund 20. Und zum Wochenausklang wurde bei europäischen
Aktien nach den Verlusten der Vortage zunächst wieder auf Erholung
umgeschaltet. Der Dax legte am Freitag deutlich zu, ehe er dann
freilich als Reaktion auf enttäuschende US-Daten ins Minus rutschte.
Ferner haben sich am Bondmarkt die Renditeaufschläge für die drei
EU-Peripheriestaaten deutlich von den Höchstständen zu Beginn der
abgelaufenen Handelswoche entfernt.
Und der Euro, dem derartige Nachrichten von der Schulden-Front
noch im Frühsommer einen Schwächeanfall beschert hätten, hat sich am
Freitag auf ein Sechsmonatshoch jenseits von 1,37 Dollar begeben.
Dazu trug allerdings bei, dass sehr konjunkturpessimistische
Äußerungen von William Dudley, dem Präsidenten der New Yorker
Fed-Filiale, am Devisenmarkt wie eine Bombe einschlugen. Dudley gab
nämlich die bisher klarste Indikation, dass die US-Notenbank neue
quantitative Maßnahmen zur Stützung der US-Wirtschaft einleiten wird
– was den Dollar erwartungsgemäß stark gegenüber wichtigen
Partnerwährungen unter Druck gesetzt hat. Es handelt sich derzeit
also weniger um eine Euro-Stärke als vielmehr um eine
Dollar-Schwäche.
Unterschätzte Gefahren
Wie es scheint, werden also die Risiken, die sich für die Eurozone
aus den vorgenannten Ländern sowie aus der nach wie vor angespannten
Lage Griechenlands ergeben, insbesondere von Aktienanlegern aktuell
unterschätzt. Am Credit-Markt sieht man die Dinge realistischer: So
weisen die Analysten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) darauf
hin, dass die marktimpliziten Ausfallwahrscheinlichkeiten
europäischer Staaten derzeit weit über ihren historischen
Durchschnittswerten liegen.
Es muss übrigens kein Dauerzustand werden, dass die Anleger die
sich fortsetzende Schuldenkrise nicht mehr auf ihrem Radarschirm
haben. Die LBBW weist darauf hin, dass Ähnliches schon im April
dieses Jahres zu beobachten war. Im Mai setzten dann ein deutlicher
Anstieg der Volatilität und kräftige Kursverluste ein.
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