Börsen-Zeitung: Die Kröte wächst, Kommentar zum Einstieg des Bundes beim Luftfahrtkonzern EADS, von Stefan Kroneck.

Angesprochen auf den französischen
Staatseinfluss bei EADS gab der frühere Verwaltungsratschef Manfred
Bischoff einst zu Protokoll, dass man die Kröte habe schlucken
müssen, sonst wäre der Luftfahrtkonzern nie zustande gekommen. 13
Jahre nach Gründung der Airbus-Muttergesellschaft mehren sich nun die
Anzeichen, dass die Kröte nicht etwa schrumpft, sondern wächst und
gedeiht.

Mit dem Einstieg des Bundes über die Förderbank KfW wird EADS mehr
und mehr zu einem Staatsunternehmen. Der ordnungspolitische
Sündenfall wird zu einem Dauerzustand. Mit einem Anteil von zusammen
knapp 30% werden Frankreich, Deutschland (voraussichtlich jeweils
12%) und Spanien (5%) künftig den neuen Block der Ankeraktionäre
bilden. Daimler und Lagardère scheren aus dem bisherigen
Aktionärspakt aus.

Mancher mag diese Entwicklung als Vorteil für EADS-Chef Thomas
Enders werten, sinkt doch die Beteiligung der bisherigen
strategischen Aktionäre, die derzeit noch bei insgesamt über 50%
liegt. Das ist aber ein Trugschluss. Für Enders, der den Staat aus
dem Unternehmen lieber heraushalten will, ist dieser Schritt eine
weitere Niederlage im Machtkampf um EADS. Sein Versuch, über eine
Fusion mit dem britischen Wettbewerber BAE Systems den Staat im
Konzern via Goldene Aktien zurückzudrängen, scheiterte an den
divergierenden nationalen Interessen Deutschlands, Frankreichs und
Großbritanniens. Die beiden industriellen Großaktionäre steigen auf
mittlere Sicht komplett aus. Damit entfallen künftig zwei gewichtige
Vertreter der privaten Investorengruppe, die staatliches
Vormachtstreben bei EADS zumindest begrenzen und eindämmen konnten.

Jetzt sind alle Schleusen geöffnet. Enders wird mehr denn je
unternehmerische Entscheidungen mit industriepolitischen Interessen
der beteiligten Staaten in Einklang bringen müssen. Dies birgt
Konfliktpotenzial zwischen dem Management und den Regierungen, weil
Staatsunternehmen zur Fehlallokation von Ressourcen neigen. Das
Argument, dass der Einstieg des Bundes ein Gegengewicht zum
französischen Staat bilden soll, um etwa deutsche Interessen bei
Standortfragen zu sichern, ist unter diesem Aspekt nicht stichhaltig.

Für Enders wird die Führung des ohnehin komplexen Konzerns noch
schwieriger. Berlin würde der Sache die Krone aufsetzen, sollte der
Luftfahrtkoordinator der Bundesregierung und Enders-Gegner Peter
Hintze (CDU) als Vertreter des Bundes in den Verwaltungsrat
einziehen. Schwer vorstellbar, dass Enders bereit wäre, diese Kröte
zu schlucken.

(Börsen-Zeitung, 4.12.2012)

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