Nie war sie so politisch – und vielleicht gerade
dadurch selten so wertvoll – wie heute. Die Rede ist nicht von
Klosterfrau Melissengeist, sondern von der BaFin. Obendrein hat man
schon lange keinen Chef der deutschen Finanzaufsicht erlebt, der
seinen Emotionen derart freien Lauf ließ wie Felix Hufeld am
Donnerstag. Gefühlsausbrüche, zuweilen anderer Art, kannte man von
seinem Vorvorgänger Jochen Sanio: Da sollen in Krisensitzungen auch
mal die Flaschen vom Tisch geflogen sein.
Es ist mehr als ungewöhnlich, dass der oberste Finanzaufseher der
Republik die Jahrespressekonferenz mit dem Bekenntnis beginnt – wohl
eher: beginnen muss -, er sei ein leidenschaftlicher Europäer. Doch
ohne diese absolut glaubwürdige Vorbemerkung könnten Kritiker Hufeld
schnell in eine Ecke stellen, in die er so ungefähr als Letzter
gehört: Kleinkariertheit, Unsolidarität oder gar Deutschtümelei.
Die BaFin wehrt sich gegen die von der EU-Kommission betriebene
Reform der europäischen Aufsichtsbehörden EBA (Banken), EIOPA
(Versicherungen) und ESMA (Märkte), die „ESAs“. Dabei fährt Hufeld
schweres Geschütz auf: Er warnt vor der Schaffung eines
„bürokratischen Monstrums mit überlappenden Kompetenzen“, hält es für
eine „Schnapsidee“, neben der EZB die Regulierungsbehörde EBA als
weitere Aufsichtsinstanz etablieren zu wollen, sieht eine
Aufgabenverlagerung „mit der Brechstange“, und zwar durch die
Hintertür der Verwaltung, wo die Politik zuständig wäre.
In der Tat legen die Brüsseler Pläne den Verdacht nahe, hier gehe
es um eine Machtverschiebung und -zentralisierung weg von den
nationalen Stellen hin zu den ESAs. Die 2011 als vernetztes System
eingeführte Aufsichtsarchitektur würde damit ohne erkennbaren
sachlichen Grund umgekrempelt, insbesondere die in Paris ansässige
ESMA erhielte ganz neue Kompetenzen. Daher erinnert der
leidenschaftliche Europäer zu Recht an das europäische
Subsidiaritätsprinzip. Seine Argumentation ist so überzeugend wie das
entschiedene Plädoyer gegen die verfrühte Vergemeinschaftung der
Einlagensicherung, die unter den heutigen Bedingungen (notleidende
Kredite) ein „Akt europäischer Umverteilung“ wäre.
Epilog: Darf der das überhaupt? Die BaFin untersteht der Rechts-
und Fachaufsicht des Bundesfinanzministeriums. Bei allem
Selbstbewusstsein, das einem Aufsichtspräsidenten zusteht: Man sollte
davon ausgehen, dass der brillante Rhetoriker Hufeld sich nicht so
weit aus dem Fenster lehnen würde, wäre er sich der Rückendeckung von
Olaf Scholz nicht sehr sicher.
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