Stell Dir vor, eine Zentralbank verschenkt Geld,
aber keiner will es haben. Das mag im nun sechsten Jahr der
Finanzkrise unglaubwürdig klingen. Doch dieser Eindruck drängt sich
auf, wenn man die hohen Sondertilgungen der Banken für die
Dreijahrestender der Europäischen Zentralbank (EZB) betrachtet. Mit
insgesamt 137 Mrd. Euro haben diese schon zum frühestmöglichen Termin
die Prognosen weit übertroffen. Spätestens am 27. Februar, wenn die
Mittel aus dem zweiten Tender zurückgezahlt werden können, soll
Analysten zufolge die nächste Welle kommen. Den Euro und das
Euro-Bankensystem retten – mit diesem Anspruch hatte die EZB Ende
2011 und Anfang 2012 den Instituten der Eurozone brutto rund 1 Bill.
Euro zur Verfügung gestellt.
Heute werden die Tilgungen erstmals am Geldmarkt wirksam. Noch
immer ist nicht klar, wie sich die Rückzahlungen an den einzelnen
Märkten auswirken werden. Die Banken könnten einen Teil der
freigewordenen Mittel in ein Dreimonatsgeschäft der EZB überführen.
Denn das Zentralinstitut versorgt die Geldhäuser nach wie vor mit
unbegrenzter Liquidität, nur eben in kürzeren Laufzeiten. An der
hohen Überschussliquidität im Eurosystem und den damit niedrig
gehaltenen Geldmarkt- und Interbankenzinsen würde sich in diesem Fall
nicht viel ändern. Aber selbst wenn in größeren Schritten Liquidität
aus dem Markt genommen wird, dürfte es dauern, bis sich dies
nachhaltig in steigenden Zinsen niederschlägt. Analysten glauben
daher, dass etwa der Renditeanstieg bei kurzlaufenden Bundesanleihen
schon zu viel vorweggenommen haben könnte.
Die Zinsen am Interbankenmarkt könnten sogar sinken, wenn der
lange schlafende Interbankenhandel wieder in Schwung käme. Denn den
Häusern stehen nach Rückgabe der EZB-Mittel wieder die dafür
eingereichten Sicherheiten zur Verfügung, die sie für besicherte
Refinanzierungsgeschäfte untereinander verwenden können.
Mit den Rückzahlungen leeren zumindest die soliden Adressen
lediglich ihre Vorsichtskasse, die sie bislang bei der EZB – zur eher
unattraktiven Verzinsung von null Prozent – vorgehalten hatten. Ob
die Dreijahrestender dem Anspruch der allumfassenden Euroland-Rettung
gerecht geworden sind, werden einst Wirtschaftshistoriker beurteilen
müssen. Bankenpleiten und eine schärfere Einschränkung der
Kreditvergabe im Euroraum konnten sie verhindern. Dabei dürfte es
vorerst auch bleiben – selbst bei hohen Sondertilgungen.
(Börsen-Zeitung, 30.1.2013)
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