Die Schweizer Regierung und insbesondere
Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf schienen noch vor drei
Monaten nur eine Möglichkeit zur Lösung des Steuerstreits mit den USA
zu sehen. Mit aller Vehemenz forderte die Magistratin eine „Lex USA“:
Damit sollte das Parlament den Banken eine klare gesetzliche
Grundlage geben, damit die Geldhäuser den Forderungen der US-Justiz
ungestört durch unabhängige Gerichte und Berufungsinstanzen Folge
leisten können. Das Schweizer Parlament hat das auf ein Jahr
befristete Spezialgesetz aber abgelehnt. Das Strafgesetz und das
Datenschutzgesetz dürften nicht umgangen werden, nur damit ein paar
Banken mit den US-Behörden kooperieren könnten, argumentierten viele
Abgeordnete.
Die Banken, die im Geschäft mit amerikanischen Steuerflüchtlingen
zum Teil wohl grobe Fehler gemacht haben, konnten nicht auf das
Verständnis der Politiker zählen, die den Unmut der Bevölkerung
gegenüber der Branche längst in sich trugen. Ebenso wenig Verständnis
zeigten die Abgeordneten aber für die von dem Gesetz vorgeschlagenen
Maßnahmen zur Einschränkung der Einspruchsrechte von Drittpersonen,
die mutmaßlich an Steuerhinterziehungsgeschäften beteiligt waren. Ein
eingeschränkter Datenschutz für Bankmitarbeiter, Treuhänder, Anwälte
und Vermögensverwalter – nein danke! Dieser Beschluss des Parlaments
war richtig. Denn die von den US-Justizbehörden bedrohten Banken
hätten unter Umständen ein Interesse daran haben können, einer
möglichst großen Anzahl von Dritten eine Mitschuld anzuhängen, um
sich auf diese Weise reinzuwaschen.
Bemerkenswerterweise widerstand das Parlament auch den scharfen
Warnungen der Regierung und ihrer Getreuen, die „enorme Gefahren für
die Volkswirtschaft“ sahen, sollte das Gesetz abgelehnt werden. In
diesem Fall drohten den Banken existenzgefährdende Strafzahlungen,
hieß es. Die Szenarien haben sich nicht bewahrheitet. Zugegeben,
vielleicht wären die Anklagen ja demnächst eingetroffen. Doch
möglicherweise haben die Amerikaner bemerkt, dass es auch für sie
besser ist, wenn die Banken weiterbestehen und etliche unbescholtene
Schweizer Bürger nicht als Kollateralschaden eines US-Angriffs ihr
Geld verlieren.
Mit der nun erwarteten Lösung müssen die Banken wohl mehr bezahlen
als ursprünglich vorgesehen. Das ist die schlechte Nachricht für die
Schweiz. Die gute ist aber, dass das Land nicht auf Druck der
Großmacht seine Gesetze verändert hat.
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