Börsen-Zeitung: Eine Branche am Wickel / Kommentar zur Razzia bei Porsche von Isabel Gomez

Nach der Razzia beim Sportwagenhersteller
Porsche am Mittwoch steht nun auch offiziell fest, dass die gesamte
deutsche Autoindustrie in den Skandal um manipulierte oder zumindest
falsche Abgaswerte bei Dieselautos involviert ist. Erstmals gibt es
zudem einen Verdacht gegen ein aktives Vorstandsmitglied, was
zumindest der bisherigen Darstellung, auf den Führungsebenen habe
niemand von nichts gewusst, widerspricht. Flankiert wurde die
Durchsuchung, wie bei allen Herstellern, von der Aussage, Porsche und
Audi kooperierten vollumfänglich mit den Behörden.

Wenngleich Porsche ihre Dieselmotoren nicht selbst entwickelt,
sondern bei Audi einkauft, hatte Porsche-Vorstandschef Oliver Blume
bei der Bilanzvorlage im März wiederholt, dass Porsche sich seiner
Verantwortung als Fahrzeughersteller stellen werde. Die Welle an
Durchsuchungen bei deutschen Autoherstellern in den vergangenen
beiden Jahren legt indes nahe, dass die Konzerne den Ermittlern
längst nicht alle Informationen in der von den Behörden gewünschten
Geschwindigkeit oder im erforderlichen Umfang zur Verfügung stellen.
Dass nun ausgerechnet ein Porsche-Vorstand unter Verdacht steht, der
mit der Aufarbeitung des Skandals auf Konzernebene beauftragt war,
fördert diesen Eindruck weiter. Das wiederum lässt die Beteuerungen
der Hersteller in Sachen vollumfänglicher Kooperation mittlerweile
unglaubwürdig erscheinen.

Warum sich die Autokonzerne nicht zu laufenden Ermittlungen
äußern, liegt angesichts zahlreicher Klagen von Aktionären und Kunden
auf der ganzen Welt auf der Hand: Jedes Geständnis wird im Zweifel zu
höheren Strafen und möglicherweise zu höheren Schadenersatzzahlungen
an Kunden und Investoren führen. Dennoch haben beide
Interessengruppen einen Anspruch auf Transparenz.

Diese innerhalb der Konzerne und in der Kommunikation mit
Aktionären und Kunden herzustellen, sollten sich die Hersteller ganz
weit oben auf ihre Aufgabenliste setzen. Denn in der künftigen Welt
der Mobilität, wie sie die Hersteller skizzieren, wird diese
Transparenz noch wichtiger. Ganz besonders, wenn es darum geht,
Fehler oder fehlende interne Kontrolle einzugestehen. Facebooks
Image-GAU durch das Datenleck zeigt das eindrücklich, und in der
künftigen Mobilität geht es nun mal um Daten und Software statt
Motoren. Dass die Autoindustrie Software programmieren kann, hat sie
bewiesen. Den Nachweis, damit und mit Fehlverhalten richtig umgehen
zu können, bleibt sie schuldig.

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