Die Europäische Zentralbank (EZB) verabschiedet
sich von ihrer Politik der Neutralität gegenüber der internationalen
Bedeutung des Euro. 20 Jahre folgte sie dem Motto, die
Internationalisierung der Gemeinschaftswährung weder zu forcieren
noch zu blockieren. Jetzt redet sie einer wichtigeren Rolle des Euro
auf der Weltbühne das Wort und unterstützt die Initiativen der
EU-Kommission. Die EZB muss aber auch dabei ihre Grenzen anerkennen
und aufpassen, nicht politisch vereinnahmt zu werden. Der Schwenk ist
ein zweischneidiges Schwert.
Keine Frage: Der Ansatz der Europäer, die Rolle des Euro zu
stärken und dem Dollar mehr Paroli zu bieten, ist absolut richtig.
Die Dominanz des Dollar war mindestens mitverantwortlich für viele
Finanzkrisen seit den 1970er Jahren. Die USA haben den Greenback
zudem immer wieder als Waffe eingesetzt. US-Präsident Donald Trump
treibt das skrupellos auf die Spitze. Europa will und muss sich
emanzipieren – und eine stärkere Rolle des Euro gehört dazu. Ganz zu
schweigen von wirtschaftlichen Vorteilen wie niedrigeren
Finanzierungskosten für die Staatsschulden – das viel zitierte
„exorbitante Privileg“ des Dollar.
Der Status einer Weltleitwährung bietet aber nicht nur Vorteile.
Die Kehrseite des „exorbitanten Privilegs“ ist etwa eine Art
„exorbitante Verpflichtung“: In Krisenzeiten ist eine Leitwährung als
sicherer Hafen gefragt, wertet auf und bremst die Wirtschaft. Vor
allem aber lässt sich das Weltwährungssystem nicht par ordre du mufti
gestalten. Am Ende entscheidet der Markt. Die Euro-Politik muss also
dafür sorgen, dass der Euro für Anleger ausreichend attraktiv ist.
Dazu braucht es eine Integration der Euro-Kapitalmärkte und eine
sinnvolle Vertiefung der Währungsunion, aber auch grundsätzlich eine
gesunde Wirtschaftspolitik. Italiens Schuldenirrsinn hilft ganz
sicher nicht.
Die EZB attestiert nun zwar mehr Vorteile einer größeren globalen
Rolle des Euro für ihre Geldpolitik als noch 1999. Ob der Nutzen die
Kosten überwiegt, hängt aber stark von der jeweiligen Situation ab.
Das gilt es genau zu analysieren und sich zu wappnen. In jedem Fall
sind die Möglichkeiten der EZB arg limitiert, den Euro zu fördern –
wenn sich auch mancher Politiker anderes wünschen und auch mancher
Notenbanker von einer aktiveren Rolle träumen mag. Die EZB kann etwa
auf technischer Seite einen Beitrag leisten, beim Zahlungsverkehr.
Ansonsten sollte sie sich aus diesem politischen Minenfeld
heraushalten. Zur Stärkung der internationalen Rolle des Euro braucht
es eine exorbitante Kraftanstrengung. Das aber ist Aufgabe der
Politik, nicht der Geldpolitik.
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