Börsen-Zeitung: Falsche Arznei, Kommentar zu einer Studie des Deutschen Aktieninstituts über die Auswirkungen einer Finanztransaktionssteuer, von Stephan Lorz.

Schon die nackten Zahlen zeigen, dass Berlin mit
der angekündigten Einführung einer Finanztransaktionssteuer einen
Irrweg geht: Auf 10 Mrd. Euro schätzt die EU-Kommission die
Steuereinnahmen aus diesem Vehikel für Deutschland, aber deutlich
mehr als die Hälfte davon müssen Privathaushalte und Unternehmen
löhnen. Dabei hatte die Politik einst versprochen, die Steuer werde
ausschließlich den Finanzsektor treffen und soll nur den spekulativen
Handel eindämmen. Nun aber sind nach einer Studie des Deutschen
Aktieninstituts die Nebenwirkungen größer als die eigentlich
intendierten Effekte.

Wäre die Finanztransaktionssteuer eine Arznei, würde sie vom
SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach in Bausch und Bogen
verworfen. Und das zuständige Bundesinstitut würde eine eventuell
bereits ausgesprochene Zulassung umgehend widerrufen. Doch gerade die
SPD ist es, die trotz der fehlgeschlagenen Wirkungsprüfung weiter
darauf besteht, dass diese „Steuerarznei“ gespritzt wird.

Denn es geht längst nicht mehr um eine inhaltliche Diskussion über
die Stabilität des Finanzsektors und dessen Beteiligung an den
Krisenkosten, sondern um reine Symbolpolitik. Die Einführung der
Finanztransaktionssteuer soll dem Wähler suggerieren, dass die
Politik etwas gegen den Mitverursacher der jüngsten Krise tut.
Gleichzeitig hoffen die Steuerbefürworter, dass die Bürger erst gar
nicht merken, dass sie es sind, die letztlich dafür bezahlen. Erhöhen
sich wegen der neuen Steuer die Gebühren für Finanzdienstleistungen,
verringern sich die Renditen für Anlageprodukte etwa in der
Altersvorsorge und verlagert die Finanzbranche ganze Abteilungen zur
Steuervermeidung ins Ausland, sind natürlich die Banken die bösen
Buben – nicht die Politik.

Nun ist die Finanztransaktionssteuer von der Idee her ja durchaus
ein guter Ansatz: Eine Mikrosteuer auf Finanzumsätze soll das
Spekulationsvolumen verringern und damit die Marktvolatilität
minimieren. Das dürfte zum Teil auch funktionieren, weil die Kosten
für kurzfristige Finanzaktivitäten steigen. Doch zum einen müsste
diese Steuer, um Verzerrungen beim Standortwettbewerb zu vermeiden,
global eingeführt werden, zum anderen müssten die Nebeneffekte
eingeschränkt oder durch Subventionen kompensiert werden. Beides ist
nicht zu erwarten. Die Politik hat sich verrannt, würde aber nun
demokratisches Rückgrat beweisen, wenn sie das auch zugeben würde. Es
gibt andere Regulierungsinstrumente, mit denen sie ihren legitimen
Zielen näherkommt als mit dieser Steuer.

(Börsen-Zeitung, 19.7.2013)

Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069–2732-0
www.boersen-zeitung.de

Weitere Informationen unter:
http://