Börsen-Zeitung: Farbenpracht am Bondmarkt, Marktkommentar von Kai Johannsen

Die internationale Anleihefamilie ist vor
wenigen Tagen um ein neues Mitglied erweitert worden. Nach den Green
Bonds gibt es nun einen weiteren Bond mit Farbanstrich: Blue Bonds.

Die Pionierrolle übernahm die Inselrepublik Seychellen, die einen
zehnjährigen Bond zu einer Rendite von 6,5 Prozent im Wege einer
Privatplatzierung bei drei institutionellen Anlegern brachte. Mit
Anleiheerlösen des blauen Bonds sollen Projekte zur Erhaltung der
Ozeane finanziert werden. Es erfolgt dabei eine Kooperation mit der
Weltbank, die – wie andere supranationale Organisationen wie etwa die
Europäische Investitionsbank (EIB) auch – sich die Förderung von
grünen und nachhaltigen Projekten auf die Fahne geschrieben hat.

Solche Unterfangen sind zweifelsohne zu begrüßen, sie sind
absolut erforderlich und wünschenswert und verdienen Unterstützung.
Zudem treffen sie den Zeitgeist vieler Kapitalanleger: Grüne und
nachhaltige Anleihen sind en vogue, und es wird ihnen ein weiterer
Siegeszug prophezeit. Der blaue Debüt-Bond der Seychellen kam über
15 Mill. Dollar und dürfte so etwas wie ein Testballon sein. Aber man
muss nicht viel Prognosekraft haben, um sagen zu können, dass noch
viele Blue Bonds das Licht erblicken werden – nicht nur von
(Insel-)Staaten, sondern aller Voraussicht nach auch von
supranationalen und nationalen Förderinstitutionen, die bei diesen
Projekten gern vorangehen.

Es wird bei nachhaltigen Anleihen wohl noch so einige Spielarten
geben. Die EIB, die der Pionier der grünen Anleihen ist, hat im
September ihren ersten Nachhaltigkeitsbond (Sustainability Awareness
Bond) gebracht. Es gibt zudem Social Bonds. Und irgendwann wird es
auch Smart City Bonds, Bonds für nachhaltige Küstenbewirtschaftung,
Bonds für Kreislaufwirtschaften und mehr geben.

Aber Achtung: Eine gewisse Fragmentierung lässt sich sicherlich
nicht vermeiden, da Bonds auch voneinander abgegrenzt werden müssen.
Jedoch sollte die Community der Green, Blue und Sustainable Bonds
darauf achten, dass der Markt nicht in unübersichtlich viele
Teilmärkte zersplittert. Zum einen kann darunter die Liquidität
erheblich leiden, und das ist weder im Sinne der Emittenten noch der
Anleger. Was nützt es einem Anleger, dass er Rendite erzielt und auch
noch etwas Gutes für Klima, Umwelt oder nachhaltige Themen tut, aber
empfindliche Einbußen erleidet, wenn er mal wieder aus dem Blue Bond
heraus möchte, um in einen Smart City Bond zu investieren, bei dem er
später vor dem gleichen Liquiditätsproblem steht. Das beschert
Emittenten nicht gerade mehr Käuferschichten. Die Bonds werden höhere
Liquiditätsprämien aufweisen, zu zahlen vom Emittenten. Das ist nicht
wünschenswert, da nicht im Sinne des Ganzen. Denn den Markt treibt so
etwas nicht voran, Gelder fließen so eher weniger und langsamer in
erforderliche Klima-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsprojekte.

Zum anderen leidet die Übersichtlichkeit. Nun sind es die
Seychellen, die einen Blue Bond bringen. Morgen sind es vielleicht
die Australier, die mit einem Ocean Bond folgen. Und dann kommt
womöglich Schleswig-Holstein mit der Nordsee-Anleihe und Dänemark mit
dem Ostsee-Pfandbrief. Alles das Gleiche oder etwa doch nicht, weil
es überall wieder Nuancen von Unterschieden gibt? Anderes Beispiel:
Ist der Migrationsbond ein eigenständiger Bond und damit ein eigenes
Bondsegment gerechtfertigt? Oder sind Migrationsbonds nicht einfach
nur soziale Bonds? Oder sollte man den Migrationsbond als Subklasse
der sozialen Bonds sehen, die selbst zur Gruppe nachhaltiger
Anleihen gehören? Man kann es kompliziert gestalten.

Zu berücksichtigen ist auch der Status des Marktes. Green &
Sustainable Bonds sind derzeit anlegerseitig immer noch fast
ausschließlich auf Institutionelle beschränkt. Und ein
professioneller Investor, der im zwei- und dreistelligen
Millionenbereich Kapital anlegt, hat sicher die Zeit, sich intensiv
mit den Unterschieden von einzelnen grünen oder blauen Bonds
auseinanderzusetzen. Er kann sich mit den vielen Definitionen, den
einzelnen Kriterien für die Kapitalverwendung, die
Projektdokumentationen, dem Reporting dieser Projekte etc.
auseinandersetzen, und er hat vielfach auch die Möglichkeit, die
Projektinitiatoren im direkten Dialog zu befragen. Aber dieser Markt
soll auch mal den nächsten Entwicklungsschritt vollziehen, und das
ist Richtung Privatanleger. Und ob diese Anlegerschar die Zeit, die
Kenntnis und auch das Engagement hat, sich mit solchen
Marktfragmentierungen und damit einhergehenden Intransparenzen
beschäftigen zu wollen, sei mal dahingestellt. Die Unterscheidung
Green und Sustainable sollte reichen.

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