Um gut 3 US-Cent ist der Euro gestern nach dem
Zinsentscheid und der Pressekonferenz der Europäischen Zentralbank
(EZB) abgestürzt. Am Donnerstagabend kostete die Gemeinschaftswährung
nur noch 1,4556 Dollar, nachdem sie am Mittwoch noch ein 17-Monats-
Hoch von über 1,49 Dollar markiert hatte. Ein solcher Kurssturz –
ohne exogenen Schock – ist am Devisenmarkt und bei einem liquiden
Währungspaar wie Euro/Dollar eher selten.
Was ist geschehen? Auf den ersten Blick scheint es, als habe die
EZB die Märkte massiv enttäuscht und vor ihrem Zinsentscheid auf eine
falsche Fährte gelockt. Zwar hatte niemand mit einer Zinserhöhung
schon im Mai gerechnet. Doch offenbar hatte sich eine ausreichend
große Zahl von Marktteilnehmern auf eine schärfere Zinsrhetorik
eingestellt, die auf eine Anhebung der Sätze schon im Juni hindeutet.
Bis vor der gestrigen EZB-Sitzung hatte der Euro aufgrund der
Erwartung steigender Zinsen im Euroraum seit Jahresbeginn um gut 10%
zum Dollar aufgewertet.
Der Verdacht einer missverständlichen Kommunikation ist bei der
EZB nicht völlig aus der Luft gegriffen. Kritiker bemängelten
beispielsweise das erratische Vorgehen der Notenbank zum
Jahreswechsel, als die EZB die Märkte erst auf restriktiveren Kurs in
der Geldpolitik vorbereitete, danach aber bis März hängen ließ. Auch
die Zinserhöhung im Sommer 2008 war für viele Marktteilnehmer
überraschend und nicht verständlich.
Diesmal jedoch kann man der Notenbank keinerlei Vorwürfe machen.
In ihrer Sitzung im April hat die Notenbank in dem ihr eigenen Code
keine Hinweise auf vorgezogene Zinsschritte gegeben. Alle Umfragen
vor der gestrigen Sitzung belegen, dass eine Mehrheit der Akteure
frühestens ab Juli mit steigenden Leitzinsen gerechnet hatte.
Der ungewöhnlich deutliche Kursrutsch des Euro dürfte daher eher
auf so etwas wie einen kleinen „Flash Crash“ zurückzuführen sein, bei
dem verschiedene Faktoren zusammenwirkten: Euro-Anlagen wurden zwecks
Gewinnmitnahmen verkauft, eine ausreichend große Zahl davon löste
automatische Verkaufsorders aus, die wiederum andere Teilnehmer zum
Abstoßen von Euro nötigten. Hinzu kamen schlechte Konjunkturdaten,
die gestern die Risikoscheu an den Märkten anheizten, was dem Euro in
den vergangenen zwei Jahren nie gut bekommen ist. Da die US-Notenbank
Fed an ihrer expansiven Geldpolitik festhalten wird, dürfte der Euro
schon bald wieder zum Aufwärtstrend ansetzen.
(Börsen-Zeitung, 6.5.2011)
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