Börsen-Zeitung: Gar keine schlechte Leistung, Kommentar von Bernd Wittkowski zur Halbjahresbilanz der Fondsbranche

Ein Nettomittelaufkommen von gut 11 Mrd. Euro in
einem halben Jahr ist für die erfolgsverwöhnte deutsche Fondsbranche
auf den ersten Blick eine Enttäuschung. Zumal wenn man die Gelder,
die von Januar bis Juni dieses Jahres bei institutionellen und
privaten Anlegern eingesammelt wurden, an den 41 Mrd. Euro aus der
gleichen Vorjahreszeit misst. Oder wenn man gar an den Rekordbetrag
von 123 Mrd. Euro denkt, der den Kapitalanlagegesellschaften im
gesamten Jahr 2000 zur Wahrung und (möglichst) Mehrung anvertraut
wurde.

Auf den zweiten Blick ist festzustellen, dass das professionelle
Asset Management, das natürlich auch schon noch schlechtere Jahre
erlebt hat, eine Wachstumsbranche bleibt und mit dem enormen Bestand
von 1,8 Bill. Euro zur Jahresmitte – Wertveränderungen der Fonds
inbegriffen – 52 Mrd. Euro mehr verwaltete als zwölf Monate zuvor,
mag die Dynamik vorübergehend auch mal nachgelassen haben. Wenn man
sich dann mit einem dritten Blick das Umfeld und die daraus
resultierenden Befindlichkeiten jedenfalls vieler privater Anleger
anschaut, darf es aus Sicht der Investmentbranche sogar als positive
Überraschung gewertet werden, dass es überhaupt noch Leute gibt, die
ihr Geld freiwillig in Wertpapierfonds stecken und eben nicht in
Goldbarren, Immobilien oder Kartoffeläcker. Schließlich müssen
Geldanleger angesichts des Finanzschlamassels auf beiden Seiten des
Atlantiks und nicht zuletzt in Anbetracht der bisherigen Versuche zur
Krisenbewältigung sowie vor allem der drüben noch mehr als hüben
fassungslos machenden politischen Inszenierungen schon ausgeprägte
Frohnaturen sein, um sich darauf zu verlassen, dass die Welt nicht
irgendwann doch im Schuldensumpf absäuft.

Vor diesem Hintergrund ist es also gar keine schlechte Leistung,
den Kunden im ersten Halbjahr Fondsanteile von netto 11 Mrd. Euro
verkauft zu haben. Dass dabei der Absatz der Publikumsfonds sogar ein
Minus von 3,6 Mrd. Euro aufweist, sollte man nicht überbewerten. Die
Unterscheidung nach Fondsformaten erscheint zunehmend obsolet. Zum
einen investieren institutionelle Anleger in hohem Maße nicht nur in
Spezial-, sondern auch in Publikumsfonds. Zum anderen stammen die in
Spezialfonds angelegten Gelder, die im ersten Halbjahr Träger des
Neugeschäfts der Branche waren, zu einem ganz erheblichen Teil aus
privaten Ersparnissen, die beispielsweise in
Altersvorsorgeeinrichtungen fließen. Im gesamten Fondsbestand wie im
Mittelaufkommen sind mithin weit mehr Gelder des „Publikums“ drin,
als auf den Sondervermögen draufsteht.

(Börsen-Zeitung, 3.8.2011)

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