Börsen-Zeitung: Gelungener Auftakt, Marktkommentar von Thorsten Kramer

Der Start ins neue Börsenjahr ist geglückt. Zum
Abschluss der ersten kompletten Handelswoche notieren an Europas
Börsenplätzen alle wichtigen Indizes über dem Niveau vom
Jahreswechsel und dies hat Aussagekraft für den gesamten Turnus. In
den USA schwören selbst so renommierte Experten wie Jim O–Neill auf
die sogenannte Fünf-Tage-Regel – ein „erstaunlich präziser
Indikator“, wie der Chef von Goldman Sachs Asset Management meint.
Schließlich konnte der S&P 500 Index seit dem Jahr 1950 in 81% der
Fälle eine positive Performance vorweisen, wenn er bereits an den
ersten fünf Handelstagen eines Jahres Gewinne verbucht hatte. In der
noch jüngeren Historie des deutschen Leitindex Dax liegt die Quote
der Übereinstimmung immerhin bei 75%.

Auffällig ist, dass sich Investoren gezielt dort positioniert
haben, wo sie nach einer eher verhaltenen Entwicklung im Jahr 2012
Aufholpotenzial sehen. Dies beflügelt in der Breite zurzeit vor allem
Papiere aus der europäischen Peripherie: Italiens Leitindex Mib 30
rückte seit Jahresbeginn schon um 7,6% vor und Spaniens Ibex 35 um
6,1%, während der Dax sich nach dem annähernd 30-prozentigen Sprung
im Vorjahr erst recht moderat um 1,4% verbesserte. Derselbe Effekt
ist beispielsweise innerhalb des Dax zu beobachten: Mit Commerzbank,
Deutsche Bank und Infineon führen drei Werte die Liste der stärksten
Indextitel an, die sich 2012 noch weit unterdurchschnittlich
entwickelt hatten.

Ängstliche Investoren hätten sich sehr wahrscheinlich auf
defensive, dividendenstarke Papiere fokussiert. Mit ihrem Engagement
an Südeuropas Börsen, im Bankensektor sowie in zyklischen Branchen
unterstreichen die Akteure deshalb, dass sie nach wie vor von der
Zukunftsfähigkeit der Eurozone überzeugt sind und zudem von einer
Belebung der globalen Wirtschaft ausgehen.

In der nun abgelaufenen Woche haben die Akteure in ihrer
Zuversicht Unterstützung von prominenter Seite erfahren: Mario
Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank, zeigte sich auf der
Pressekonferenz im Anschluss an die Zinsentscheidung der
Währungshüter nicht mehr so pessimistisch wie noch im Dezember. Dies
nahm den Spekulationen auf kurzfristig weitere geldpolitische
Maßnahmen zur Stabilisierung der Konjunktur zwar die Grundlage, kam
an den Märkten aber dennoch gut an, denn speziell der Verfassung der
Wirtschaft in Südeuropa gilt die Sorge vieler internationaler
Investoren. Da liefern Indikatoren, die sich auf niedrigem Niveau
stabilisieren, bereits einen Hoffnungsschimmer.

Mit Blick auf die kommenden Wochen steigt nun allerdings die
Wahrscheinlichkeit einer Konsolidierung der Kurse. Seit Mitte
November haben inzwischen selbst die Indizes aus der Peripherie um
deutlich mehr als 10% zugelegt, und der gleichzeitig festzustellende
Rückgang der Schwankungsbreite signalisiert, dass sich an den Börsen
wahrscheinlich etwas zu viel Sorglosigkeit etabliert hat. Zugleich
mangelt es an einem Impulsgeber für einen weiteren Kursanstieg. Im
Zuge der Berichtssaison in den Vereinigten Staaten dürfte es den
Unternehmen schwerfallen, die Märkte weiter anzutreiben, weil durch
den jüngsten Anstieg der Indizes an Nyse und Nasdaq schon vieles
eingepreist sein dürfte. Zugleich hat sich der in allerletzter Minute
gefundene Kompromiss im US-Haushaltsstreit so beruhigend auf die
Akteure ausgewirkt, dass die nun deutlich gestiegenen Erwartungen es
schwierig machen, dass die Konjunkturdaten noch überraschen können.
Das Überraschungsmomentum lässt bereits eine Trendwende erkennen.
Hinzu kommt, dass der Haushaltsstreit spätestens im Februar zurück
auf die Tagesordnung rückt – und dies dürfte schon vorher zu einer
wachsenden Verunsicherung führen. Auf dieser Seite des Atlantiks
besteht das Risiko, dass mehr Unternehmen im Zuge der Berichtssaison
die Erwartungen der Analysten enttäuschen werden. Außerdem dürfte
auch hier die Verunsicherung in den nächsten Wochen zunehmen, je
näher der Termin der Parlamentswahl in Italien rückt.

Nach dem geglückten Jahresbeginn ist somit erst einmal mit einer
schwächeren Phase zu rechnen. Der verbreitete Konjunkturoptimismus
spricht jedoch dafür, dass viele auf einem günstigeren Niveau schnell
zugreifen dürften, zumal enorm viel Liquidität vorhanden ist. Dies
sichert die Märkte ab.

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