Börsen-Zeitung: Gescheitert schon im Kleinen, Kommentar zur Energiepolitik von Ulli Gericke

Deutschland benötigt ein Energiekonzept. Also
einen Rahmen, der aufzeigt, wie die künftige Energieversorgung
preisgünstig, sicher und so klimafreundlich wie möglich ausgestaltet
werden soll. In diesem seit Jahren überfälligen Konzept muss die
Frage der Laufzeiten für Atomkraftwerke genauso beantwortet werden,
wie die Geschwindigkeit fixiert werden muss, mit der die heutige
Versorgung in eine klimaneutrale aus erneuerbaren Energien gewandelt
wird. Und es muss die künftige Rolle der Kohle geklärt werden, die
aktuell immerhin gut 40% der Stromerzeugung sichert.

Dabei ist klar, dass die umweltschädlichen Braun- und
Steinkohlekraftwerke nur dann eine Zukunft haben, wenn die
Kohlendioxid-Dreckschleudern deutlich sauberer werden. Das Zauberwort
in diesem Zusammenhang heißt CCS, Carbon Capture and Storage. Damit
wird eine Technologie beschrieben, mit der das klimaschädliche
Kohlendioxid eingefangen und anschließend unterirdisch – etwa in
erschöpften Gaslagerstätten – deponiert wird. Erste Pilotprojekte von
Versorgern zeigen, dass zumindest das Carbon Capture technisch
machbar ist. Nun muss die zweite Hälfte des CCS, das Storage, erprobt
werden – wobei es wenig Zweifel gibt, dass Gesteinsformationen, die
flüchtiges Erdgas über Jahrmillionen eingeschlossen haben,auch
Kohlendioxid genauso sicher einbunkern. Die Ölindustrie nutzt dieses
Verfahren seit Jahren, um leer laufende Vorkommen bis zur letzten
Neige auszubeuten.

Doch für den Transport und die Kohlendioxid-Lagerung bedarf es
eines Rechtsrahmens. Den hat die schwarz-gelbe Regierung nun
erstellt, nachdem die schwarz-rote Vorgängerregierung damit kurz vor
der Bundestagswahl gescheitert war. Nicht wegen
Koalitionsstreitereien, sondern wegen lauter werdender Bürgerproteste
am vorgesehenen Lagerort in Schleswig-Holstein. Und Nein-Stimmen kann
keine Partei kurz vor einem Wahltermin gebrauchen.

Jetzt die Neuauflage. Um Protestierern so wenig Angriffsfläche wie
möglich zu bieten und eine breite Zustimmung im Bundesrat zu sichern,
geht es bei dem Gesetzentwurf nur um eine Übergangslösung für wenige
Pilotanlagen und das dort abgeschiedene Kohlendioxid. Ein Gesetz also
für die Gegenwart, keines für die Zukunft. Wenn Berlin aber nicht
einmal eine dauerhafte Regelung für das kleine Thema Kohlendioxid
zustande bringt, wer soll dann noch glauben, dass diese Regierung das
große Energiekonzept stemmen kann?

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