Börsen-Zeitung: Grausamer Herbst, Marktkommentar von Christopher Kalbhenn

Aus dem erhofften goldenen Herbst droht für den
Aktienmarkt ein grausamer zu werden. Denn der Dax fällt seit dem 19.
September, an dem er ein Zwischenhoch von knapp 9900 Zählern
erreichte, wie ein Stein. Am Freitag verstärkte sich der Druck noch.
Der Index sackte bis auf 8788 ab, den tiefsten Stand seit dem Oktober
2013, womit er in nur drei Wochen etwas mehr als 11% eingebüßt hatte.
Nachdem sich die Ukraine-Krise etwas entspannt und außerdem die
Europäische Zentralbank zusätzliche Stützungsmaßnahmen angekündigt
hatte, hatten die Vorzeichen eigentlich auf steigende Notierungen
gestanden.

Was die Marktakteure nicht auf dem Radar hatten, waren die in sehr
kurzer Zeit eintretende deutliche Eintrübung der Konjunkturdaten in
Deutschland und das sich auch außerhalb Eurolands immer mehr
abschwächende Wachstum. Nicht zuletzt die Schwellenländer verlieren
an Schwung, und gerade die deutsche Wirtschaft hat von der Nachfrage
aus den einstigen Boom-Ländern profitiert. Für den Aktienmarkt ist
das Gift, hatten die Auguren in ihren Szenarien doch eine
wirtschaftliche Belebung eingebaut, durch die endlich auch die
Unternehmensgewinne wieder auf den Wachstumspfad zurückfinden, damit
die stark gestiegenen Kurse auch eine fundamentale Rechtfertigung
erhalten.

„Die kräftigen Rückgänge der deutschen Auftragseingänge und der
Industrieproduktion im August haben gezeigt, dass der
Konjunkturabschwung hierzulande vermutlich stärker ausfällt als
zunächst erwartet“, beschrieb die Helaba am Freitag die Entwicklung
und reduzierte ihre Prognosen für das Wachstum des
Bruttoinlandsprodukts in diesem und im kommenden Jahr von 1,5% und
1,7% auf jeweils 1,3%. Damit haben sich vor der demnächst beginnenden
Quartalsberichtssaison neue Risiken für die Gewinnschätzungen
aufgetan.

Dollar-Stärke verunsichert

Darüber hinaus erweist sich die Dollar-Stärke derzeit als
zweischneidiges Schwert. Prinzipiell ist eine Abschwächung des Euro
aus Sicht der Unternehmen des Euroraums positiv, weil sich die
Wettbewerbsfähigkeit verbessert bzw. die Gewinnaussichten sich
tendenziell verbessern. Aus Sicht vor allem der entscheidenden
US-Investoren stellt sich die Lage derzeit aber anders dar. Tempo und
Ausmaß des Kursverfalls des Euro gegen den Dollar verunsichern und
veranlassen amerikanische Anleger, sich von Euro-Assets zu trennen
bzw. Engagements in der Währung erst einmal zurückzustellen. Wenn
dann noch führende Adressen wie die Deutsche Bank und Goldman Sachs
mit der Prognose aufwarten, dass der Euro bis zum Jahr 2017 auf die
Parität zum Dollar oder sogar leicht darunter absacken wird, gießt
dies nur Öl ins Feuer. Schließlich ist die Aussicht auf
Währungsverluste in einer Größenordnung von 25% alles andere als
verlockend. Es wird daher wohl noch etwas dauern, bis Euro-Aktien auf
ermäßigter Währungsbasis und auf niedrigeren Kursniveaus wieder
attraktiv genug erscheinen und die positiven Auswirkungen des
niedrigeren Wechselkurses auf die Unternehmen stärker in den
Vordergrund rücken. Zusammen mit dem relativ zu den Vereinigten
Staaten und Großbritannien günstigeren geldpolitischen Umfeld und dem
extrem niedrigen Zinsniveau, aufgrund dessen es an Anlagealternativen
mangelt, wird dies allerdings auch die Abwärtsrisiken begrenzen.

Über das Ausmaß der aktuellen Abwärtsbewegung werden aber die
Konjunkturdaten entscheiden. Letztlich werde die Frage, wie weit die
aktuelle Korrektur reiche, vor allem davon abhängen, ob die
Weltwirtschaft auf ihrem Erholungspfad bleibe oder ob sich die
Abschwächungstendenzen in Europa ausbreiteten und die Weltkonjunktur
insgesamt an Dynamik verliere, so die BayernLB. „In unserem Szenario
einer trotz Euroraum-Schwäche stabilen Weltkonjunktur dürften die
Aktienmärkte bei anhaltender Unterstützung durch die expansive
Geldpolitik zwar weiter schwankungsanfällig bleiben, die
Kursrückschläge sollten aber weiter temporär und vom Ausmaß her
begrenzt ausfallen.“

Die Commerzbank sieht die aktuelle Entwicklung als Kaufgelegenheit
an. „Wir erwarten, dass der Dax auf diesem Niveau allmählich einen
Boden finden wird.“ Denn die Anlegerstimmung gebe mittlerweile wieder
antizyklische Kaufsignale für den Dax. Zudem ließen monetäre
Indikatoren eher eine Wachstumsdelle als eine Rezession erwarten.
Schließlich sei die Dax-Bewertung wieder auf den
Zehnjahresdurchschnitt gefallen. „Nach einem schwachen Oktober dürfte
sich der Dax deshalb im November und Dezember wieder erholen.“

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