Börsen-Zeitung: Handlungsbedarf / Kommentar zu Heidelberg Cement von Helmut Kipp

Was seit längerem in der Luft lag, ist nun
offiziell: Nach langen 15 Jahren als Vorstandschef von Heidelberg
Cement nimmt Bernd Scheifele Ende Januar 2020 seinen Hut. Als er im
Februar 2005 an die Vorstandsspitze rückte, lag der Jahresumsatz bei
6,9 Mrd. Euro. Daraus sind gut 18 Mrd. Euro geworden. Es ist
allerdings weniger das Wachstum, das bleibt, sondern die Bewältigung
der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise.

Mit dem drohenden Zerfall des Merckle-Imperiums, zu dem der
Baustoffhersteller gehört, zogen damals dunkle Wolken über dem
Konzern auf, dem überdies der teure Kauf des britischen Sand- und
Kiesherstellers Hanson aus dem Jahr 2007, also unter der Ägide
Scheifeles, zusetzte. Die Akquisition trieb die Schulden in die Höhe,
die Ratingagenturen senkten die Bonitätsnoten, die Zinslast drohte
das Unternehmen zu erdrücken. Das Desaster spiegelte sich in einem
Kurssturz bis auf 20 Euro.

Scheifele reagierte mit einem dauerhaften Sparkurs, der den
Konzern stabilisierte, senkte die Verbindlichkeiten und führte das
Unternehmen in den Dax. 2009 lagen die Nettoschulden beim Vierfachen
des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, 2015 war es nur
noch das Doppelte. Das schuf den Spielraum für die Übernahme des
italienischen Familienkonzerns Italcementi vor drei Jahren. Der
Konzern stand seinerzeit unter Druck, weil zwei große Rivalen –
Lafarge aus Frankreich und die Schweizer Holcim – zusammengingen. Mit
dem Zukauf wurde Heidelberg Cement weltweit zur Nummer 1 bei
Zuschlagstoffen, Nummer 2 bei Zement und Nummer 3 bei Transportbeton.

Die Bilanz des vergangenen Geschäftsjahres fällt dagegen
ernüchternd aus, vor allem wegen der Gewinnwarnung im Oktober und des
Aktienkursabsturzes um gut 40%. Daran können weder das etwas über den
Analystenerwartungen liegende Ergebnis des vierten Quartals noch die
Kurserholung im neuen Jahr viel ändern. Trotz jahrelangen Sparens
kommen die Margen nicht nachhaltig voran.

Die versprochene progressive Dividendenpolitik und Aktienrückkäufe
werden kaum ausreichen, um Investoren zufrieden zu stellen. Im
letzten Jahr seiner Amtszeit muss Scheifele vor allem den
Portfolioumbau voranbringen. Der angekündigte Rückzug aus einzelnen
Märkten und Regionen kann helfen, die Kräfte zu bündeln. Erste
Verkäufe sind unter Dach und Fach, doch scheint LafargeHolcim nicht
zuletzt aufgrund der wegweisenden Trennung vom Indonesiengeschäft
schon weiter zu sein.

(Börsen-Zeitung, 20.02.2019)

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