Börsen-Zeitung: Herabstufung der Agenturen, Kommentar zu Ratings von Detlef Fechtner

Lange Zeit haben Europas Finanzpolitiker ihren
Unmut über Entscheidungen von Ratingagenturen unter der Decke
gehalten. Doch jetzt ist Schluss mit der selbst verordneten
Zurückhaltung. Minister, EU-Kommissare und Notenbanker äußern
plötzlich lautstark Kritik.

Der Zorn richtet sich gegen die Entscheidung von Moody–s, Portugal
eine schlechtere Note aufzudrücken – gerade jetzt, wo sich doch die
Regierung ein strenges Spar- und Reformprogramm verordnet hat. Damit
behauptet Moody–s indirekt, dass die EU-Volkswirte ein Programm
hervorgebracht haben, das letztlich nichts taugt – aus Brüsseler
Sicht ein Affront.

Das allein erklärt indes noch nicht den schroffen Ton. Ein Schelm,
wer vermutet, dass es gar nicht so sehr um Portugal geht, sondern um
Griechenland. Den Sack schlägt man, den Esel meint man. In der Tat
stellt sich angesichts der Hartleibigkeit der Agenturen bei der
Bewertung privater Gläubigerbeteiligung am Griechenland-II-Paket die
Frage, wie weit die Politik den Entscheidungen der Agenturen folgt.
Oder wenn man–s dramatischer will: wie lange sie sich ihnen
unterwirft.

Lange konnte sich die Politik vor einer Antwort drücken. Für das
breite Publikum wurden strengere Regeln angekündigt, die gut klingen,
aber äußerst schwierig zu handhaben wären: etwa striktere
Haftungsregeln bei Fehlurteilen oder erzwungene Änderungen am
Geschäftsmodell („issuer pays“).

Dabei gehen diese Änderungen am Kern vorbei. Das Problem ist
schließlich, dass Ratings zu viel Vertrauen entgegengebracht wird und
jedes Downgrade ein Domino auslöst. Aufrufe an Investoren, sich durch
„AAA“ oder „CCC“ doch bitte nicht beeinflussen zu lassen, wirken
hilflos und naiv. Niemand kann einem Treasurer vorschreiben, ein
Rating zu ignorieren.

Sehr wohl kann die Politik aber entscheiden, ob sie sich selbst an
die Urteile der Bonitätswächter hält – sei es bei der Kalibrierung
von Eigenkapital oder der Anerkennung von Sicherheiten. Auch
Ratingagenturen irren. Sie sind manchmal zu spät (Asienkrise),
manchmal zu voreilig (Portugal) und sie kommen manchmal überhaupt
nicht zu den richtigen Einsichten (Lehman). Die Politik muss
aufhören, Ratings als sachlogische Wahrheiten zu behandeln, vielmehr
als das, was sie sind: Meinungen. Die Euro-Länder sollten deshalb den
Spieß umdrehen und die Ratingagenturen herunterstufen – indem sie
deren Urteile als verbindliche Orientierungen aus vielen Gesetzen und
Vorgaben streichen und andere Bewertungen alternativ heranziehen.

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