Es gebe, so hieß es unisono, keinen Plan B. Bis
gestern Vormittag. Da gab es dann plötzlich doch einen. Einen Plan B
wie Barnier. Oder wie Barroso.
EU-Kommissar Michel Barnier hat nach Absprache mit seinen
Kollegen, also auch mit EU-Kommissionschef José Manuel Barroso,
vorgeschlagen, dass die Umstellung des Zahlungsverkehrs für Staaten,
Firmen und Vereine auf einen europäischen Standard um ein halbes Jahr
verschoben wird. Der EU-Kommissar unterstrich zwar, am formellen
Sepa-Stichtag werde nicht gerüttelt. Vielmehr würden lediglich
Ausnahmen bis August erlaubt. Aber man benötigt schon eine Menge
Gutmütigkeit, um dieser spitzfindigen und eigenwilligen Darstellung
zu folgen.
Barnier sagt, ihn treibe die Sorge um, dass die Zeit zur
Umstellung für einige Mittelständler oder Vereine knapp werden dürfte
– und es gewiss zu Problemen bei Mitgliedsbeiträgen und Rechnungen
käme, wenn von Februar an alte Formate nicht mehr akzeptiert würden.
Ob jedoch das Risiko tatsächlich so hoch ist, wie es die
EU-Kommission andeutet, und ob wirklich massenhaft Unternehmen in
Finanznöte geraten würden – daran kann man ernsthaft zweifeln.
Vieles spricht dafür, dass die EU-Behörde gerade jetzt den Groll
der Bürger darüber fürchtet, dass die ohnehin so unbeliebten
Kontonummern in der Praxis für Durcheinander sorgen. Schon vor Jahren
provozierte IBAN die Schreckliche hässliche Schlagzeilen, die sich
vor allem gegen die Eurokraten richteten. Nun, mitten im Wahlkampf
für das Europäische Parlament, wollte die EU-Behörde allem Anschein
nach ein Wiederaufleben dieses Unmuts vermeiden.
Die Angst vor Populismus ist aber ein schlechter Ratgeber – und
rechtfertigt eben nicht Entscheidungen, die einen hohen Preis haben.
Die EU-Behörde hat erstens die Glaubwürdigkeit beschädigt – ihre
eigene und die der Notenbanken, die sich öffentlich für das Vorhaben
engagiert und dabei den Stichtag verteidigt hatten. Brüssel hat
zweitens Rechtsunsicherheit geschaffen. Denn Banken müssen nun im
Februar auf eigene Verantwortung entscheiden, ob sie dem Gesetz
folgen – oder mit dessen nachträglicher Korrektur durch die
Gesetzgeber rechnen. Warum, wenn er es denn für nötig hält, hat der
EU-Kommissar die längere Frist erst jetzt vorgeschlagen? Wieso gleich
um ein halbes Jahr? Weshalb teilen viele Experten nicht die Angst
Barniers vor einem Chaos und befürworten für den Notfall
Zwangskonvertierungen? Viele Fragen drängen sich auf. Und ein
Eindruck: Der gestrige Vorstoß aus Brüssel ist ziemlicher Murks.
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