Börsen-Zeitung: Im Eigeninteresse / Kommentar zur europaweiten Verschärfung der CO2-Grenzwerte von Isabel Gomez

Ab 2021 dürfen in der EU neu zugelassene Pkw
durchschnittlich noch 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Geht es
nach den EU-Umweltministern, soll dieser Wert bis 2030 um 35% auf 62
Gramm sinken. Die Schlussverhandlungen zwischen den EU-Staaten und
dem Parlament stehen allerdings noch aus.

Die Bundesregierung hatte zwar, wie die Autokonzerne, bisher eine
Reduktion um 30% für gerade noch machbar gehalten. Doch nun sieht
Bundeskanzlerin Angela Merkel auch in dem Kompromiss ein
„vertretbares Ergebnis“. Die Branche indes spricht von einem
technisch und wirtschaftlich unrealistischen Ziel, das Arbeitsplätze
gefährde und die europäische Industrie schwäche. Nirgends sonst auf
der Welt, so der Branchenverband VDA, gebe es vergleichbare Ziele.

Das größte Potenzial, den durchschnittlichen Flottenausstoß zu
senken, haben E-Autos. Sie gelten vor dem Gesetz als klimaneutral.
Wenn die Branche der EU nun vorwirft, die „Marktsituation und
kundenseitige Akzeptanz bei der Elektromobilität“ nicht beachtet zu
haben, dann fehlt ein wichtiger Aspekt: Die Hersteller haben
reichlich spät damit begonnen, einen Elektrokurs einzuschlagen. Daher
gibt es schlicht noch kein vernünftiges Angebot an E-Autos auf dem
Markt. Das wird sich erst ab 2019 langsam ändern. Dann werden
zunächst mehr SUV-ähnliche E-Autos erhältlich sein. Vor allem die
hohe Nachfrage nach diesen Modellen mit Diesel- oder Benzinantrieb
ließ die CO2-Flottenemissionen in den vergangenen beiden Jahren
steigen. Für die Ladeinfrastruktur gibt es industrielle und
politische Initiativen – und damit die Hoffnung auf einen
flächendeckenden Ausbau in den nächsten Jahren.

Ein schnelles Hochfahren der E-Auto-Produktion ist nicht nur eine
Chance, die Grenzwerte zu erreichen und so Strafzahlungen zu
vermeiden. Es müsste vielmehr im Eigeninteresse der Hersteller
liegen. Norwegen, die Niederlande, Dänemark, Frankreich und
Großbritannien wollen die Zulassung von Verbrennermotoren zwischen
2025 und 2040 verbieten. In Teile Londons dürfen Diesel und Benziner
ab 2019 nicht mehr einfahren. Und auch der größte Automarkt China
hegt Pläne für ein Verbrennerverbot und wird sich bei Zeitpunkt und
Ausgestaltung kaum an der Bereitschaft deutscher Hersteller
orientieren.

Die Grenzwerte müssen die europäische Autoindustrie im
internationalen Wettbewerb nicht schwächen. Sie können für die
europäischen Hersteller sogar zum Vorteil werden und darüber hinaus
dazu beitragen, die Pariser Klimaziele nicht komplett scheitern zu
lassen.

(Börsen-Zeitung, 11.10.2018)

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