Börsen-Zeitung: Immerhin ein kleiner Wurf, Kommentar von Bernd Wittkowski zum jetzt auf den Weg gebrachten Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten

Die Bundesregierung bringt ein Regelwerk auf den
Weg, von dem man nur hoffen kann, dass nie die Probe aufs Exempel
gemacht werden muss. Denn die „geordnete Abwicklung“ maroder
systemrelevanter Banken, auf die das Gesetz zur Reorganisation von
Kreditinstituten zielt, könnte in praxi recht ungeordnet verlaufen.
Das Gesetz ändert nämlich nichts an einem Tatbestand, der sich als
ein Grundübel des internationalen Finanzsystems erwiesen hat: die
monströse Verflechtung der Banken, im Branchenneusprech bekannt als
„too connected to fail“. Niemand sollte der Illusion erliegen, durch
eine Reorganisation nach Berliner Vorstellungen ließen sich
Dominoeffekte im Kreditgewerbe und Panikreaktionen an den Märkten
effektiv verhindern. Viel wichtiger ist, etwa über die
Eigenkapitalregeln Anreize zu setzen, die zu einer deutlichen
Verringerung der Komplexität und der globalen Vernetzung der Banken
führen, bevor es überhaupt zu einer Schieflage kommt.

Einem Trugschluss schon erlegen wäre, wer geglaubt haben sollte,
mit dem Reorganisationsgesetz und der Einführung einer Bankenabgabe
wären die Steuerzahler aus dem Obligo. Sind sie natürlich nicht. Der
Obolus ist bei der jährlich zu erwartenden runden Euro-Milliarde,
nach alter Rechnung entsprechend 40 Peanuts, Symbolpolitik. Viel mehr
wäre freilich auch nicht realistisch, will man den Banken und damit
ihren Kreditnehmern nicht über Gebühr den Saft abdrehen. Den Rest
allfälliger Restrukturierungskosten trägt folglich weiter die
Allgemeinheit in Form von Krediten und Garantien.

Ein großer Wurf ist den Gesetzesdesignern mithin nicht gelungen –
war auch kaum zu erwarten. Ein kleiner Wurf schon. Mit der Befugnis,
Banken im äußersten Fall zu zerschlagen und abzuwickeln, und
gravierenden Eingriffsmöglichkeiten bis in grundrechtlich geschützte
Positionen wird eine Drohkulisse aufgebaut, die eine erzieherische
Wirkung auf die Geschäftspolitik mancher Adressen entfalten kann. Und
die Bankenabgabe ist mit ihrem progressiven Tarif so gestrickt, dass
sie für Sparkassen und Volksbanken noch knapp unter der
Schmerzschwelle bleiben sollte.

Insgesamt darf man der Bundesregierung zugutehalten, dass sie –
ebenso wie die US-Administration – an Lösungen von im Zuge der
Finanzkrise zutage getretenen Problemen arbeitet, auch wenn diese
Lösungen naturgemäß manche Wünsche offenlassen. In Brüssel scheint
man derweil noch viel Zeit zu haben.

(Börsen-Zeitung, 24.8.2010)

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