„Das vorrangige Ziel des Europäischen Systems
der Zentralbanken ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten.“ An
diesen ersten Satz aus Artikel 127 des Vertrages über die
Arbeitsweise der EU – ein Satz, der im Zuge der Bewältigung der
Finanzkrise und ihrer Folgen gelegentlich in den Hintergrund, wenn
nicht in Vergessenheit geraten schien – darf und muss angesichts der
aktuellen Teuerungsraten erinnert werden. Mit „Inflationshysterie“
hat das rein gar nichts zu tun.
Ihre zentrale, nach Wortlaut und Geist des Vertrages durch nichts
zu relativierende Aufgabe sehen die Hüter des Euro als erfüllt an,
wenn sich der Preisanstieg unter, aber nahe 2% bewegt. In Euroland
war diese Schwelle zuletzt mit 2,2% bereits überschritten. Die
deutsche Teuerung verfehlt im Januar mit 2% (harmonisierter
Verbraucherpreisindex) ebenfalls das Ziel.
Inflation ist die kalte Enteignung der Sparer. Und ob knapp über
oder unter der Marke von 2%: Beim heutigen Zinsniveau läuft die
Geldentwertung für viele Bürger längst auf die Erosion ihrer
Ersparnisse hinaus; der Realzins ist z.B. bei den meisten Tagesgeld-
oder Festgeldangeboten negativ, nach Steuern erst recht. Umso mehr
verlieren Anleger inflationsbereinigt bei Kurzläufern des Bundes. Es
wäre schön, wenn sich die fast zum Nulltarif in Liquidität badenden
Banken und Sparkassen – wie es hierzulande einmal guter Brauch war –
insofern deutlich als Anwälte der Sparer positionieren würden.
Auch Einkäufer von Unternehmen und private Verbraucher sind
gebeutelt. Von Kernraten, Basiseffekten oder importierten (also noch
nicht hausgemachten) Preissteigerungen – mit dem Hinweis darauf
werden die Teuerung und die Inflationserwartungen ja gerne verbrämt –
können sie sich nichts kaufen. Der Energie- oder Rohstofflieferant
begnügt sich leider nicht damit, die Preise um eine statistische
Kerninflationsrate anzuheben.
Währungshüter müssen, zumal angesichts der verzögerten Wirkung
ihrer Instrumente, vorausschauend agieren, statt erst auf vollendete
Tatsachen zu reagieren; sie müssen „vor der Kurve“ sein. Lassen sie
die Preise erst davonlaufen, wird es äußerst schwer (und für die
Volkswirtschaft umso schmerzhafter), sie wieder einzufangen. Nun hat
die EZB in diesem Sinne richtigerweise damit begonnen, die
Geldpolitik zu verschärfen – zunächst verbal. Jean-Claude Trichet &
Co. werden den Worten Taten folgen lassen müssen, eher früher – das
heißt im ersten Halbjahr – als später.
(Börsen-Zeitung, 28.1.2011)
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