In Brüssel erzählen EU-Beamte, dass ziemlich
genau fünf Jahre nach dem Lehman-Kollaps noch nicht alle Wertpapiere
eindeutig zugeordnet werden könnten. Weiterverwendung,
Weiterverpfändung – die Rede ist von „dynamischen Ketten von
Sicherheiten, in denen dasselbe Wertpapier mehrmals weitergegeben
wird, häufig unter Beteiligung von Akteuren aus dem
Schattenbankensystem“.
Dass schlichte Fragen wie „Wem gehört was?“ und „Wer trägt welches
Risiko?“ Jahre nach einer Bankpleite nicht zu beantworten sind, ist
kaum zu fassen. Doch das gilt auch für die, um die es geht: Die
Schattenbanken selbst sind ebenfalls kaum zu fassen – zumindest für
den Gesetzgeber. Er steht schon bei überschaubaren Vorhaben vor
großen Herausforderungen – etwa bei der Umsetzung der Kennung
juristischer Personen oder bei der exakten Begriffsbestimmung von
„Kredit“ oder „Einlage“. Was aber ist dann erst bei Vorhaben wie der
Beschränkung des Einsatzes von Sicherheiten oder der Risiken bei
Pensionsgeschäften und Wertpapierleihen zu erwarten? Das klingt nach
Herkulesaufgaben.
Einen Vorgeschmack bietet die Regulierung der Geldmarktfonds. Man
möchte meinen, dass das noch eine der leichtesten Übungen sein
sollte. Aber schon bei der Vorlage des Gesetzesentwurfs bauen sich
politische Fronten auf: zwischen Aufsichtsbehörden und Gesetzgebern,
zwischen Deutschland und Luxemburg. Und die Argumente sind nicht
einmal einfach von der Hand zu weisen.
So betont die EU-Kommission, dass Fonds mit
Werthaltigkeits-Versprechen wichtig als Geld-Parkplatz für Firmen
sind, die in zwei Wochen Gehälter auszahlen müssen – und daher kein
Risiko von Einbußen eingehen können. Auch lässt sich trefflich
darüber streiten, ob ein Drei-Prozent-Puffer für Fonds, die viel Geld
in nullgewichtete Staatsanleihen stecken, unterm Strich den
Kapitalanforderungen von Banken entspricht – oder nicht. Andererseits
ist auch nachvollziehbar, dass Aufseher auf einen Abschied von festen
Anteilswerten drängen, nachdem in der Vergangenheit eine ganze Reihe
von Fonds auf Finanzspritzen von Banken angewiesen waren.
Dass sich Brüssel die Schattenbanken vorknöpft, ist zwar völlig
richtig. Schließlich ist die Gefahr augenscheinlich, mit jeder neuen
Regulierung traditioneller Institute den Anreiz zu steigern,
Aktivitäten in den Schatten zu verlagern – und das kann wirklich
nicht gewollt sein. Niemand sollte sich aber Illusionen machen. Die
Regulierung der Schattenbanken wird ein langes und zähes Unternehmen.
(Börsen-Zeitung, 5.9.2013)
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