Börsen-Zeitung: Klare Machtverhältnisse, ein Kommentar zur US-Bankenregulierung von Sebastian Schmid

Die internationale Kritik an den Anforderungen
für ausländische Großbanken in den Vereinigten Staaten ist an der
US-Bankenaufsicht abgeperlt. Amerikanische Interessen gehen gegenüber
internationaler Kooperation im Zweifel vor, stellte Fed-Gouverneur
Daniel Tarullo unmissverständlich klar. Der Aufschrei in Europa über
den offenen Alleingang der Amerikaner mag auf den ersten Blick
erklärlich sein. Doch haben es sich die Europäer aus Sicht der
Amerikaner selbst zuzuschreiben, dass diese deren
Regulierungsbemühungen nicht vertrauen und lieber selbst vorsorgen.

Über Jahre haben nationale Interessen eine europäische Lösung zur
Bankenregulierung gebremst. Nun ist es selbstverständlich auch
wesentlich schwieriger, die vielschichtigen Interessen der
europäischen Nationalstaaten unter einen Hut zu bringen, als wie in
den USA von oben durchzuregieren. Das Verständnis dafür ist in den
USA jedoch noch immer nicht sonderlich ausgeprägt. Die jüngsten
Schritte zur Bankenunion kommen etwa vielen Amerikanern zu spät.

Wenn die US-Bankenaufsicht mit ihrem Vorstoß der eigenen
Finanzindustrie unter die Arme greift, zeigt dies nur, dass es aus
europäischer Sicht besser gewesen wäre, mit einer eigenen starken
Bankenregulierung vorauszugehen. Nun, da das Kind in den Brunnen
gefallen ist, bleibt die Kritik der EU-Kommission gedämpft: „Wir sind
fest überzeugt, es wäre besser gewesen, einen gemeinsamen Ansatz
auszuarbeiten.“

Die Amerikaner dürfte diese Kritik kaltlassen. Dass der gestrige
Beschluss zurückgedreht wird, ist nahezu ausgeschlossen. Zumal sich
die Europäer in einer schwachen Verhandlungsposition befinden.
Sollten sie als Vergeltung den Marktzugang für US-Großbanken in
Europa erschweren, ist die Drohkulisse ernüchternd klein. Der
US-Markt ist wesentlich attraktiver. Zudem müssten wohl alle Europäer
an Bord sein – also auch die Engländer.

Und auch die Banken selbst werden eine Konfrontation kaum
goutieren. Die Deutsche Bank und ihre Rivalen hätten sich zwar
weniger Auflagen gewünscht. Einen Verzicht auf das US-Geschäft werden
sie sich aber nicht leisten. Das wussten auch die US-Aufseher und
haben ihre Regeln entsprechend aufgestellt. Was dies am Ende für das
einzelne Institut bedeutet, muss das 415 Seiten umfassende
Regulierungsdokument erst noch zeigen. Die Machtverhältnisse im
globalen Finanzsystem sind aber noch einmal klar vor Augen geführt
worden.

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