Börsen-Zeitung: Klima-Geld sucht Anlage, Kommentar von Michael Flämig zum bevorstehenden Klimagipfel im mexikanischen Cancún

Stellen Sie sich vor: Sie laufen auf dem
Bürgersteig und sehen dort einen 100-Euro-Schein liegen. Was tun Sie?
Zumindest so weit dürfte Konsens herrschen bei den Lesern der
Börsen-Zeitung: Erst mal den Schein aufheben. Unvorstellbar daher,
dass auf der Straße Milliarden Euro herumliegen und sich dennoch
niemand bückt.

Genau dieses Schauspiel ist vom nächsten Montag an im
mexikanischen Badeort Cancún zu beobachten. Denn die weltweite
Investmentindustrie winkt dem dortigen Klimagipfel mit gewaltigen
Mitteln, wenn die Politik einen Abbau der Kohlendioxidemissionen
angeht. Die USA und China werden aber, wenn kein Wunder geschieht,
eine Einigung verhindern.

Dies ist zum Haareraufen. Schließlich geht es vor allem um die
Zukunft vieler Menschen, aber auch um Geld. Die Besitzer und
Repräsentationen von 15 Bill. Dollar bieten Investments an. Zur
Veranschaulichung dieses Vermögens: Es entspricht dem jährlichen
Bruttoinlandsprodukt der USA. Oder aus Sicht von Börsenprofis
eingeordnet: 15 Bill. Dollar sind mehr als ein Viertel der weltweiten
Marktkapitalisierung. So unterschiedliche Adressen wie Allianz Global
Investors, North Carolina Retirement Systems und die Sisters of The
Holy Family haben ihre Unterschrift unter dem Appell an den
Klimagipfel von Cancún geleistet.

Die Botschaft: Wir stehen bereit mit einem Teil unseres Geldes, um
in die wirtschaftlichen Chancen eines Systemwechsels zu investieren,
der zu geringeren CO2-Emissionen führt. Dafür allerdings benötigen
wir einen verlässlichen langfristigen Rahmen, um risikoadjustierte
Renditen berechnen zu können.

Natürlich geht es dabei den Vermögensverwaltern auch um handfeste
Interessen. Sie benötigen in der volatilen Anlagewelt neue
Investments für ihre langfristigen Verpflichtungen. Teilweise kämpfen
sie um Überrenditen. Die Aufgabe der Politik wäre es, verlässliche
Vorgaben zu machen, die zu vernünftigen Risiko-Chance-Profilen führen
und der Menschheit helfen. Stattdessen wird endlos gestritten.

Der Klimawandel ist eine Tatsache. 2010 ist das wärmste Jahr seit
Beginn der Klimaaufzeichnungen vor 130 Jahren. Die Erwärmung bedroht
das Leben Zigtausender Menschen. Aus übergeordneter Sicht ist also
entschlossenes Handeln überfällig. Doch auch ökonomischer
Sachverstand verlangt nach bindenden weltweiten Reduzierungszielen.

(Börsen-Zeitung, 26.11.2010)

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