Börsen-Zeitung: Kragen geplatzt, Kommentar von Bernd Wittkowski zur Verschärfung der Abwehr des Bankenverbandes gegen die Berliner Regulierungsvorhaben

Josef Ackermann und seinen Kollegen im Vorstand
des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) ist der Kragen geplatzt.
Das Ergebnis ist die am Montag sehr spontan entstandene Erklärung,
mit der die Politik aufgefordert wird, sich „im Sinne Deutschlands“
deutlich hinter die hiesigen Banken zu stellen,
Regulierungsalleingänge zu stoppen und die damit verbundenen
Belastungen nicht zu realisieren.

Puh! Der BdB, der obendrein die deutschen Bonusregelungen als
Wettbewerbshindernis kritisiert, traut sich was. Und wenn die
Regierung nun nicht spurt? Wandern die privaten Banken dann
geschlossen aus? Der Kreis derjenigen in Politik und Öffentlichkeit,
die der Zunft eine Träne nachweinen würden, bliebe überschaubar.
Banker, so stellte Howard Davies, Direktor der London School of
Economics, kürzlich in der Börsen-Zeitung treffend fest, werden
(nicht nur in Deutschland) sozial geächtet; ihr Ansehen sei so
schlecht wie das von Drogendealern und Journalisten.

Wohin sollte denn die Reise überhaupt gehen? Der konkrete
Nachweis, dass die Akteure an ausländischen Bankenplätzen durch
Regulierungen infolge der Finanzkrise und allgemeine Steuererhöhungen
insgesamt weniger belastet werden als hierzulande, steht noch aus.

In der Sache hat der BdB freilich recht. Addiert man, was aus
Basel, Berlin oder Brüssel auf die Branche zukommt, und stellt die
Summe den Jahresgewinnen der Vergangenheit gegenüber, wird schnell
klar, dass die Belastbarkeitsgrenze fürwahr erreicht ist. Das
Kreditgewerbe als Ganzes steht an der Schwelle zum
Non-Profit-Banking, und das kann volkswirtschaftlich auf Dauer nicht
gutgehen. Ziehen Politik und Regulierer die Daumenschrauben zu fest
an, muss das unausweichliche Schrumpfen des Bankensektors früher oder
später zur ungesunden Kreditverknappung, zu weniger Wettbewerb und
höheren Kosten der Wirtschaft führen.

Auf einem anderen Blatt steht, ob es übermäßig klug ist, diese
Drohkulisse aufzubauen. Die Banken fühlen sich nicht als Einzige
überfordert. Der Kragen ist auch Politikern und vor allem den
Steuerzahlern längst geplatzt, mit deren Geld nicht zuletzt private
Institute und deren Einlagensicherung gerettet wurden. Wären diese
Hilfen schon zurückgezahlt, ließe es sich glaubwürdiger
argumentieren, als wenn nonchalant über die Tatsache hinweggegangen
wird, dass – neben vielen anderen – auch BdB-Mitglieder für den
Schlamassel der vergangenen Jahre verantwortlich sind.

(Börsen-Zeitung, 26.10.2010)

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